Empörungsbescheinigung

Ich verfolge in den Sozialen Medien und nun auch in türkischsprachiger Presse seit einigen Tagen einen Fall, in welchem eine muslimische Frau durch eine behördliche Stelle aufgefordert wird, für die Ausstellung eines amtlichen Dokumentes – im konkreten Fall ein Führerschein – ein Lichtbild ohne Kopftuch vorzulegen oder einen schriftlichen Nachweis einer Moschee einzuholen, aus dem hervorgeht, dass sie aus religiösen Gründen zum Tragen eines Kopftuches verpflichtet ist. Dieser Nachweis wird als „Kopftuchbescheinigung“ bezeichnet.

Einige Akteure der politischen Verbandslandschaft sind sofort empört, befinden sich nach eignen Angaben gegenüber türkischsprachigen Medien geradezu im Schockzustand und verlangen publikumswirksam eine Erklärung der „deutschen Dienststellen“.

Große Erwartungen, falsche Voraussetzungen

Die aktuellen Diskussionen um den Beirat des geplanten Islam-Instituts an der Humboldt-Universität in Berlin verlaufen – wie so oft – entlang eingeübter Positionen und erschweren dadurch den Blick auf die tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Etablierung islamisch-theologischer Studien an Hochschulen in Deutschland.

Was ist konkret passiert? Vier der fünf beteiligten muslimischen Verbände verweigern die Unterzeichnung der Gründungsvereinbarung. Da verfassungsrechtlich – sehr verkürzt dargestellt – ohne eine die bekenntnisgebundenen Details der universitären Lehre legitimierende Religionsgemeinschaft keine Hochschultheologie möglich ist, droht das Vorhaben zumindest ins Stocken zu geraten, wenn nicht gar gänzlich zu scheitern.

Drei Seelen in einer Brust

Vorbemerkung: Seit drei Monaten ist es still auf diesem Blog. Das hat Gründe. Allen interessierten Leserinnen und Lesern schulde ich eine Erklärung für diese Stille. Dafür brauche ich noch ein wenig Zeit. Für den Moment nur so viel: Ditib und ich gehen seit Anfang des Jahres getrennte Wege. Ich werde bald ausführlicher dazu Stellung nehmen.

Die Islam-Debatte der letzten Tage hat mich nicht in Ruhe gelassen. Deshalb nun – vor einer Erklärung in eigener Sache – der folgende Text:

Als Muslim

„Der Islam gehört nicht zu Deutschland!“ und die muslimische Gemeinschaft rotiert, als ob ein gesellschaftliches Tabu gebrochen worden wäre. Und so, als ob seit 8 Jahren dieser Satz nicht unendliche Male zitiert, beklatscht, verflucht, gelobt oder bestritten wurde. Reflexartig folgen ebenso apodiktische und ebenso oberflächliche Bekundungen, dass ja genau das Gegenteil der Fall sei.

haTikwa

Dieser Text ist kein Erfolg versprechendes Werk. Im Gegenteil trägt in der heutigen Zeit jeder Versuch, sich differenziert zu äußern, das Schicksal des Scheiterns bereits in sich. Denn wir leben in Zeiten des Zorns. Im Zorn ist kein Platz für Empathie, für den Versuch, sein Gegenüber zu verstehen, auch wenn man seine Ansichten nicht teilt, ja ihnen deutlich widersprechen möchte. Im Zorn ist kein Platz für das Zuhören, das Aushalten, das friedliche Ringen der Meinungen.

Gefährlicher Mut

Das Urteil des OVG Münster zu den muslimischen Verbänden Islamrat und ZMD wurde auf diesem Blog bereits kritisch besprochen. Dass dies den Betroffenen nicht gefallen hat, ist anzunehmen. Zweck dieses Blogs ist es aber nicht, zu missfallen. Vielmehr soll durch eine möglichst öffentliche Debatte und auch durch deutliche Sprache ein Impuls zur kritischen Selbstreflexion über Probleme der muslimischen Community gesetzt werden.

Woran es gelegen hat

Am vergangenen Donnerstag hat das OVG Münster über die Klage des ZMD und des Islamrats auf Zulassung zum Religionsunterricht an öffentlichen Schulen entschieden und den Klägern bescheinigt, keine Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes zu sein.

Dieses Ergebnis wurde hier auf diesem Blog einen Tag vor Urteilsverkündung bereits vorausgesagt. Übernatürliche Kräfte waren dafür nicht erforderlich. Das Ergebnis war angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Ausgangslage unausweichlich.

Meilenstein oder Eigentor?

Als Anwalt ist man stets dazu verpflichtet, seine Mandanten über die Risiken des Falles, der gewählten Strategie und der prozessualen Weichenstellungen zu beraten. Für einen verantwortungsbewussten Rechtsanwalt empfiehlt sich dabei stets der für den Mandanten sicherste Weg. Dazu gehört es auch, manchmal einen begonnenen Rechtsstreit nicht bis zu einer gerichtlichen Entscheidung fortzusetzen. Auch wenn man zu Beginn anstrebte, eine solche Entscheidung zu erhalten, kann sich die prozessuale und auch die tatsächliche Lage des Falles im Laufe eines Gerichtsverfahrens derart ändern, dass es klüger wäre, sich keine abschließende Entscheidung abzuholen.

Der Bruch im Verborgenen

Seit einiger Zeit thematisiere ich bereist in diesem Blog die Problematik einer nationalistisch-identitären Bewegung innerhalb türkisch-muslimischer Gruppen in Deutschland. Ein aktuelles Streitgespräch auf Facebook über die Doppelmoral in diesen Kreisen, insbesondere beim Thema Antisemitismus, lies mich aufhorchen.

Macht man sich die Mühe, aus dem Wust persönlicher Beschimpfungen und hässlicher, denunziatorischer Andeutungen, die Kernargumente herauszuschälen, stößt man auf folgende Denkfigur: Rassismus und Antisemitismus widersprechen dem Islam, also kann kein Muslim antisemitisch oder rassistisch sein.

Raus aus der Sackgasse!

Die Islamdebatte in Deutschland befindet sich in einer Sackgasse. Es handelt sich hierbei um eine tatsächliche und geistige Verengung, deren inhaltliche Fruchtlosigkeit kaum auffällt, weil dieser Umstand durch eine konfrontative Sprache der Abgrenzung zwischen vermeintlich „liberal“ und vermeintlich „konservativ“ übertönt wird.

Deutschland muss Deutschland bleiben!

Die Diskussionen um einen islamischen Feiertag veranschaulichen nach den zähen „Der Islam gehört zu“/“gehört nicht zu“-Diskussionen der jüngeren Vergangenheit erneut den Zustand der politischen Debatte um den Islam in Deutschland. Mal wieder offenbaren die Beiträge mehr über die Akteure selbst,…