Monthly archives of “April 2016

Die Mehmetebene

Kürzlich wurde auf diesem Blog der Fall Böhmermann juristisch beleuchtet. Mit dem erklärten Ziel, die Prozessrisiken und juristischen Schwierigkeiten bei der Frage der Abwägung zwischen Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht darzulegen. Verbunden auch mit der Hoffnung, dass eine sachliche und kühle Erörterung der juristischen Fakten zur objektiveren Einordnung des Sachverhalts beitragen möge.

Wie in jenem Beitrag angekündigt, soll an dieser Stelle nun die gesellschaftliche Dimension des Falles betrachtet werden. Es ist – kurz gesagt – ein Trauerspiel. Schon in der Böhmermannschen Darbietung selbst, mehr noch in der erstaunlich breiten und emotional geprägten medialen Aufarbeitung im Anschluss an die Ausstrahlung der Sendung, offenbart sich die ganze Schwere der deutsch-türkischen Beziehungen. Und damit ist nicht die zwischenstaatliche Diplomatie gemeint.

Gewichtiger und für unser Zusammenleben prägender ist die tiefe Dissonanz innerhalb des deutsch-türkischen Seelengeflechts hier vor Ort.

Dummheit, die gerade in Mode ist

Nach den jüngsten Ankündigungen zum AfD Parteiprogramm muss deutlich festgehalten werden: Muslime sind Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Ihnen die Freiheit des Religionsbekenntnisses und der Religionsausübung abzusprechen, ist die Aufforderung zur Beseitigung unserer Verfassungsordnung.

Eine Bevölkerungsgruppe willkürlich aus dem Schutzbereich des Grundgesetzes heraus zu definieren, ist der erste Spatenstich zur Abschaffung unseres Grundgesetzes. Wer heute meint, Muslimen ihre bürgerlichen Freiheiten absprechen oder sie einschränken zu können, wird morgen auch anderen Menschen willkürlich ihre Freiheiten nehmen wollen.

Wer von Menschen anderen Glaubens oder über ihre Religion als „Fremdkörper“ spricht, suggeriert, dass dieser entfernt und entsorgt werden muss. Das ist eine totalitäre, maliziöse Sprache, die ein ebensolches Verhalten propagiert. Dieser verfassungsfeindlichen Gesinnung gilt es, mit den Mitteln des demokratischen Meinungsstreits frühzeitig zu begegnen. Ein so unverhohlener Aufruf zum Verfassungsbruch darf nicht unwidersprochen bleiben.

Spätestens jetzt müssen die etablierten, demokratischen Parteien begriffen haben, dass aus dem Dunstkreis der AfD keine besorgten Bürger sprechen, die man ernst nehmen muss, sondern Verfassungsfeinde, die letztlich die grundrechtlichen Freiheiten aller Bürgerinnen und Bürger in Frage stellen. Deshalb darf sich die Politik dieser Gesinnung nicht anbiedern, sondern muss sie entschieden als das zurückweisen, was sie ist, nämlich verfassungsfeindlich.

„Wer verschnupft ist, hat laufend Probleme“

Erstaunlich, wie die Causa Böhmermann sich zu einer Staatsaffäre ausgewachsen hat. Die Gründe dafür – so ist aus der Perspektive deutsch-türkischer Beziehungsgeschichte zu vermuten – liegen fern ab von strafrechtlichen Diskussionen über beleidigende Lyrik. Dies wird in einem späteren Text näher beleuchtet werden.

Zunächst gilt es aber, dringend juristische Hinweise vorzuziehen. Denn nimmt man das Ausmaß der gegenwärtigen emotionalen Erregung in allen Lagern dieses Meinungsstreites zum Maßstab, muss man im Falle einer Verfahrenseinstellung oder gar eines Freispruchs fast schon besorgt sein, es könnten gesellschaftliche Reaktionen folgen, wie nach den Rodney King- und O.J. Simpson-Verfahren in den USA.

Also seien die folgenden Hinweise bitte nicht als Parteinahme oder Verteidigungsbemühung zu verstehen, sondern als sachliche Darlegung von Prozessrisiken – um vielleicht tatsächlichen Enttäuschungen am Ende des Rechtsweges vorzubeugen.

Zunächst gelten zwei Grundprinzipien gerichtlicher Auseinandersetzungen: 1. Wer ein Gericht anruft, kriegt auch eine Antwort. 2. Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.