Ich hatte nach dem letzten Text zum Thema Antisemitismus unter Muslimen in Deutschland und seinen Bezügen zum Nahostkonflikt eigentlich nicht vor, erneut dazu etwas zu verfassen.
Allerdings sind die Ereignisse vom Wochenende, die Demonstrationen des Hasses gegen Juden in Deutschland, von so einer „Qualität“, dass ich mich in der Pflicht sehe, den Blick auf unsere gesellschaftliche Situation noch genauer zu fokussieren. Ich formuliere das Vorangegangene ausdrücklich so: Demonstrationen des Hasses gegen Juden in Deutschland. So sah es aus. So hörte sich das an. Und ganz gewiss muss sich das für Jüd:innen auch genau so angefühlt haben.
Monthly archives of “Mai 2021”
Nakba – Die große Katastrophe
Ein Kommentar zum Nahostkonflikt aus muslimischer Perspektive ist immer schwierig. Sagt oder schreibt man etwas, droht der Vorwurf, man habe diesen oder jenen Aspekt des Konflikts, diesen oder jenen historischen Kontext außer Acht gelassen, nicht angemessen berücksichtigt, ja vielleicht sogar wissentlich unterschlagen. Eine solche Unvollständigkeit reicht bereits aus, um von den Betroffenen einer der beiden Seiten des Konflikts als Apologet der jeweils anderen Seite verurteilt zu werden. Also flüchten sich viele Stimmen in eine möglichst unparteilich erscheinende Stille oder in Aufrufe zur Deeskalation, in eine möglichst unverbindliche Abwägung des Verhaltens „beider Seiten“.
Neutralität mit und ohne Kopftuch
Der Bundesrat hat einer Gesetzesvorlage zugestimmt, die im April vom Bundestag verabschiedet wurde und mit der das Erscheinungsbild von Beamt:innen bundeseinheitlich geregelt werden soll.
In der muslimischen Landschaft ist von einem Kopftuchverbotsgesetz die Rede. Formulierungen wie Diskriminierung, Stigmatisierung, „so fängt es an“, Kopftuchverbot durch die Hintertür etc. dominieren die wütende muslimische Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt. Dieser Reflex des ständig verfolgten, benachteiligten Opfers tut unseren gesellschaftspolitischen Debatten nicht gut und leistet keinen sinnvollen oder auch nur ansatzweise Erfolg versprechenden Beitrag zu einer professionellen Artikulation muslimischer Belange im öffentlichen Raum. Dieser Ton und Inhalt verfestigen Fronten und vertiefen Gräben innerhalb einer Gesellschaft, in welcher es gilt, Vorstellungen von „Wir“ und „Ihr“ zu überwinden, anstatt sie zu zementieren.