Wahn ohne Sinn

Oder: Ist die Kurdische Gemeinde in Deutschland verfassungskonform?

Die Diffamierungen und Hetzkampagnen gegen islamische Religionsgemeinschaften – insbesondere gegen die DITIB – hören nicht auf. Dieser Hetzkampagne hat sich nun auch die Kurdische Gemeinde in Deutschland angeschlossen, mit der Begründung, die muslimischen Religionsgemeinschaften seien heteronom und würden die Bedrohung von Abgeordneten nicht verurteilen.

Die Kurdische Gemeinde in Deutschland nimmt leider keinen direkten Einfluss auf radikale kurdische Gruppierungen in Deutschland. Wiederholt sind Moscheegemeinden der von der Kurdischen Gemeinde diffamierten Religionsgemeinschaften auch von kurdischen extremistischen Gruppierungen angegriffen worden, teilweise unter Verwendung von Sprengstoffen und Brandsätzen. Zu keinem dieser Vorfälle hat sich die Kurdische Gemeinde öffentlich geäußert, geschweige denn dass sie diese Straftaten verurteilt oder sich auch nur davon distanziert hätte. Wen die Kurdische Gemeinde ideologisch und finanziell fördert oder von wem sie gefördert wird, ist unbekannt.

Offenkundig ist aber, dass die Kurdische Gemeinde in Deutschland entweder die Berichterstattung, die sie kommentieren will, nicht verfolgt oder dass sie bewusst falsche Tatsachen unterstellt. Denn bereits am 07.06. und am 08.06. hat sich die DITIB über unterschiedliche Kanäle an der öffentlichen Debatte beteiligt und unmissverständlich geäußert.

Schämt euch!

Drei Dinge gilt es, entschieden festzuhalten.

Erstens: Nach der Armenier-Resolution am 02.06.2016 ist die darauffolgende Kritik an dem Beschluss des Bundestages und insbesondere an dem Stimmverhalten der türkischstämmigen Abgeordneten in ihrer Vehemenz, in Inhalt und Ton mehr als überzogen. Was in sozialen Medien und in der türkischsprachigen Presse teilweise zu lesen ist, überschreitet die Grenze zu strafrechtlich relevantem Verhalten und ist nicht akzeptabel. Beschimpfung und Bedrohung von Parlamentariern sind nicht hinnehmbar, sondern entschieden zu verurteilen. Punkt. Kein Wenn, kein Aber, kein Jedoch. Einfach Punkt.

Die Grenzen der Toleranz gegenüber kritischen Reaktionen hören nicht erst dort auf, wo die Strafbarkeit des Handelns beginnt. Sie sind bereits deutlich vorher, gerade im Bereich der nichtstrafbaren Äußerungen zu ziehen. Denn auch legale aber unangemessene Tiraden vergiften das gesellschaftliche Klima und verrohen die Atmosphäre, in der wir Meinungsverschiedenheiten und auch gesellschaftliche Konflikte austragen müssen.

Von Bergen und Menschen

Am 2. Juni wird aller Voraussicht nach im Bundestag die Vertreibung der Armenier aus Anatolien – anlässlich der Abstimmung über eine Resolution – als Völkermord bezeichnet werden.

Die öffentlichen Positionierungen aus den Lagern der Befürworter und der Gegner dieser Resolution machen deutlich, welchen höchst destruktiven Punkt diese Debatte erreicht hat. Dabei hindert die erregte Auseinandersetzung um die juristische Einordnung der historischen Ereignisse den Blick für die wichtigeren Bedürfnisse der durch diese Ereignisse miteinander auf tragische Weise verwobenen Menschen.

Der Focus-Liebesbrief

Sehr verehrte, liebe Frau Hinz,

ich habe Ihre offene Fanpost vom 12.05.2016 erhalten und danke Ihnen für die freundlichen Worte.

Sie sind ja nicht Irgendwer, sondern die Leiterin des Ressorts Politik der Focus Online Redaktion. Ich bin beeindruckt, dass Sie bei all dem politischen Weltgeschehen ausgerechnet mir einen ganzen Kommentar widmen. Womit habe ich diese Aufmerksamkeit und über 3.000 Zeichen bloß verdient?

Ach ja, ich war für Sie nervtötender als Alice Schwarzer.

Wenn Sie nur wüssten, welches Kompliment Sie mir da machen. Ich bin gemeinhin dafür bekannt, ein gewisses Gefallen daran zu finden, in einer Debatte meine Mitdisputanten zu nerven. Dabei hat Frau Schwarzer die Macho-Messlatte gleich von Anfang an so hoch gehängt, dass ich ganz entspannt aufrecht darunter entlang spazieren konnte, ohne auch nur ansatzweise in die Nähe der von Ihnen so bewunderten „Schnoddrigkeit“ zu kommen. Und Sie haben gesehen, welche Körperfülle ich habe.

Die Mehmetebene

Kürzlich wurde auf diesem Blog der Fall Böhmermann juristisch beleuchtet. Mit dem erklärten Ziel, die Prozessrisiken und juristischen Schwierigkeiten bei der Frage der Abwägung zwischen Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht darzulegen. Verbunden auch mit der Hoffnung, dass eine sachliche und kühle Erörterung der juristischen Fakten zur objektiveren Einordnung des Sachverhalts beitragen möge.

Wie in jenem Beitrag angekündigt, soll an dieser Stelle nun die gesellschaftliche Dimension des Falles betrachtet werden. Es ist – kurz gesagt – ein Trauerspiel. Schon in der Böhmermannschen Darbietung selbst, mehr noch in der erstaunlich breiten und emotional geprägten medialen Aufarbeitung im Anschluss an die Ausstrahlung der Sendung, offenbart sich die ganze Schwere der deutsch-türkischen Beziehungen. Und damit ist nicht die zwischenstaatliche Diplomatie gemeint.

Gewichtiger und für unser Zusammenleben prägender ist die tiefe Dissonanz innerhalb des deutsch-türkischen Seelengeflechts hier vor Ort.

Dummheit, die gerade in Mode ist

Nach den jüngsten Ankündigungen zum AfD Parteiprogramm muss deutlich festgehalten werden: Muslime sind Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Ihnen die Freiheit des Religionsbekenntnisses und der Religionsausübung abzusprechen, ist die Aufforderung zur Beseitigung unserer Verfassungsordnung.

Eine Bevölkerungsgruppe willkürlich aus dem Schutzbereich des Grundgesetzes heraus zu definieren, ist der erste Spatenstich zur Abschaffung unseres Grundgesetzes. Wer heute meint, Muslimen ihre bürgerlichen Freiheiten absprechen oder sie einschränken zu können, wird morgen auch anderen Menschen willkürlich ihre Freiheiten nehmen wollen.

Wer von Menschen anderen Glaubens oder über ihre Religion als „Fremdkörper“ spricht, suggeriert, dass dieser entfernt und entsorgt werden muss. Das ist eine totalitäre, maliziöse Sprache, die ein ebensolches Verhalten propagiert. Dieser verfassungsfeindlichen Gesinnung gilt es, mit den Mitteln des demokratischen Meinungsstreits frühzeitig zu begegnen. Ein so unverhohlener Aufruf zum Verfassungsbruch darf nicht unwidersprochen bleiben.

Spätestens jetzt müssen die etablierten, demokratischen Parteien begriffen haben, dass aus dem Dunstkreis der AfD keine besorgten Bürger sprechen, die man ernst nehmen muss, sondern Verfassungsfeinde, die letztlich die grundrechtlichen Freiheiten aller Bürgerinnen und Bürger in Frage stellen. Deshalb darf sich die Politik dieser Gesinnung nicht anbiedern, sondern muss sie entschieden als das zurückweisen, was sie ist, nämlich verfassungsfeindlich.

„Wer verschnupft ist, hat laufend Probleme“

Erstaunlich, wie die Causa Böhmermann sich zu einer Staatsaffäre ausgewachsen hat. Die Gründe dafür – so ist aus der Perspektive deutsch-türkischer Beziehungsgeschichte zu vermuten – liegen fern ab von strafrechtlichen Diskussionen über beleidigende Lyrik. Dies wird in einem späteren Text näher beleuchtet werden.

Zunächst gilt es aber, dringend juristische Hinweise vorzuziehen. Denn nimmt man das Ausmaß der gegenwärtigen emotionalen Erregung in allen Lagern dieses Meinungsstreites zum Maßstab, muss man im Falle einer Verfahrenseinstellung oder gar eines Freispruchs fast schon besorgt sein, es könnten gesellschaftliche Reaktionen folgen, wie nach den Rodney King- und O.J. Simpson-Verfahren in den USA.

Also seien die folgenden Hinweise bitte nicht als Parteinahme oder Verteidigungsbemühung zu verstehen, sondern als sachliche Darlegung von Prozessrisiken – um vielleicht tatsächlichen Enttäuschungen am Ende des Rechtsweges vorzubeugen.

Zunächst gelten zwei Grundprinzipien gerichtlicher Auseinandersetzungen: 1. Wer ein Gericht anruft, kriegt auch eine Antwort. 2. Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.

Eilmeldung

Nach den jüngsten Terroranschlägen in Istanbul und Brüssel ist anzunehmen, dass die öffentlichen Reaktionsmuster unverändert bleiben. Das ist nicht gut. Denn unsere Reaktionsmechanismen führen zur Fossilierung unserer Sprache und unseres Denkens. Es lohnt sich, diese typischen Reflexe zu hinterfragen.

Alternativlos für Deutschland – eine sehr persönliche Betrachtung

„Unser Land, unsere Gesellschaft, unsere Medien und unsere Personen des öffentlichen Lebens verlieren zunehmend ihren Instinkt für ein demokratisches Zusammenleben. Wir verlieren unsere kollektiven Tabus im gesellschaftlichen Miteinander. Unsere vielbeschworene Wertegrundlage, unsere Grundrechtsordnung, zerbröckelt in einer rasanten Geschwindigkeit. Diese Entwicklung bleibt nahezu unbemerkt und wird im öffentlichen Diskurs praktisch nicht thematisiert. Wir verlieren unsere Sensibilität für den gesellschaftlichen Umgang miteinander. Dafür, was sich in einer demokratischen Gesellschaft gehört und was nicht. Dafür, was eine Gefahr für das pluralistische Fundament unseres Verständnisses von freiheitlicher Gesellschaftsordnung ist.“…

 „Wir driften zusehend in ein gesellschaftliches Klima der rassistischen Stigmatisierung.“…

 „Indes haben wir in weiten Teilen der öffentlichen Debatte mit Blick auf unser Ideal einer freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaftsordnung eine Verrohung und ethische Erosion zu beklagen, die in der bundesrepublikanischen Vergangenheit ihres Gleichen suchen. Das zu erkennen und dem entgegen zu wirken, muss uns allen ein Anliegen sein“…

Diese Sätze schrieb ich am 07.01.2016 auf diesem Blog. Wir haben nun mit den zurückliegenden Landtagswahlen eine politische Zäsur erlebt, welche die oben beschriebene Situation greifbar werden lässt. Wir erleben eine Hinwendung zu politischen Lagern, die unverhohlen ankündigen, weiter auf die Karte der rassistischen Stigmatisierung zu setzen.

Gleichzeitig erleben wir, wie die politische Mitte unserer Gesellschaft ins Wanken gerät. Denn nichts anderes als ein solches in Unruhe-Geraten des demokratischen Fundamentes unserer Gesellschaft ist es, wenn etablierte Parteien mit ihrer Rhetorik in die Legitimation faschistischer Denkmuster hineinstolpern.  

Eine Abrechnung

Im öffentlichen Diskurs über den Islam gehört es seit jeher zum schlechten guten Ton, sich nicht mit differenzierten Betrachtungen aufzuhalten. In weiten Teilen des öffentlichen und gerade auch medialen Resonanzraums gibt es nicht einmal mehr ansatzweise so etwas wie den Versuch einer Diskussion unter Berücksichtigung verschiedener Perspektiven. Was jahrelang als „Islamkritik“ praktiziert wurde, driftet nun immer mehr in die Kategorie der Abrechnung.

 

Der Anspruch nach einer tieferen Erkenntnis über den Betrachtungsgegenstand oder der Wunsch nach möglichst ausgiebiger Beleuchtung tunlichst aller Facetten einer Fragestellung spielt praktisch keine Rolle mehr. Wobei durchaus fraglich ist, ob es im Hinblick auf den Islam jemals einen solchen Anspruch in der öffentlichen Debatte gab.

 

Fest steht jedenfalls, dass die meisten Akteure in der Debatte über den Islam zu dem Schluss gekommen sein müssen, man habe genug gemessen und gewogen. Jetzt kommt der Befund. Das Verdikt. Die Abrechnung. Der islamkritische Judgement Day. Wobei wir „islamkritisch“ mittlerweile mit „verbandskritisch“ ersetzen müssen.