FAZ: Freude Am Zampano – Eine Danksagung, Drama in drei Akten, 1. „Die Bühne“

Anmerkung: Es braucht wesentlich größere Mühe, einen Stein aus dem Brunnen zu holen, als ihn hineinzuwerfen. Die Methoden der „Islamkritik“, die durch die FAZ mittels des Gastbeitrages Susanne Schröters hier öffentlich zur Schau gestellt werden, sind so exemplarisch für den Zustand der Debatte, dass sie ausführlich auseinandergenommen und in ihren Einzelteilen genauer untersucht werden müssen. In einem dreiteiligen Blogbeitrag soll das an dieser Stelle geschehen.

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Danke, liebe FAZ und liebe Susanne Schröter, für diesen großartigen Gastbeitrag!

In der FAZ vom 19.08.2016 (Print) bzw. vom 20.08.2016 (Online) ist ein Gastbeitrag erschienen, mit dem sich nun auch Susanne Schröter als Unterstützerin der „islamkritischen Szene“ outet.

Dass ihr Beitrag in der FAZ publiziert wird, darf man ruhig als alles andere als einen Zufall verstehen. Die FAZ bewegt sich mit den jüngsten Veröffentlichungsentscheidungen immer mehr Richtung Haus- und Hofpostille der „islamkritischen Szene“. Das sorgt wenigstens für klare Verhältnisse in diesem Meinungsstreit.

Bevor der Inhalt des Gastbeitrages näher beleuchtet wird, soll im ersten Schritt eine personelle und prinzipielle Einordnung vorausgeschickt werden: Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich Susanne Schröter zu Wort meldet. Kennern der „islamkritischen Szenen“ sind die tatsächlichen Verbindungen und die Motivation einer im ersten Blick wissenschaftlichen Aufstellung Schröters im Islamdiskurs bereits bekannt, der breiten Öffentlichkeit blieben sie bislang noch verborgen.

Unübersehbare Verbindungen

Susanne Schröter ist Leiterin des FFGI, des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam, angeschlossen an die Goethe Universität in Frankfurt. Bereits diese Namensgebung dokumentiert den problematischen Blick auf das Phänomen islamischen Lebens in Deutschland. Der Islam wird a priori als globales Problem, muslimische Existenz in Deutschland immer im Zusammenhang zum globalen „Islammonster“ wahrgenommen. Da ist die deutsche Muslimin eben Rechenschaft schuldig für die Burka im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet. Wird eben die gesellschaftliche Ablehnung gegenüber muslimischer Sichtbarkeit nicht konkret anhand lokaler Fragen diskutiert, sondern populistisch über ein Burkaverbot. Muslime sind auch mit ihren lokalen Lebensführungen, Problemen, Bedürfnissen und Äußerungen vermeintlich stets nur im Weltkollektiv des islamischen Schwarms verstehbar. Das ist nichts anderes, als das antimuslimische Narrativ einer weltweit identischen muslimischen Art des Denkens und Glaubens, das Bild eines muslimischen Monolithen, von Muslimen, die überall in gleicher Weise nur die Dogmen ihrer Religion ausführen.

Dass diese Deutung nicht weit hergeholt, sondern tatsächlich fundiert ist, wird in weiteren Details deutlich. Das FFGI hat der auf seiner Internetseite verwendeten Bezeichnung nach „Assoziierte“. Sie haben in der Internetpräsenz eine eigene Rubrik gleichen Namens. Ein Klick auf diese Rubrik zeigt, dass 4 von 8 Assoziierten dem Muslimischen Forum Deutschland (MFD) angehören, darunter ihr gegenwärtiger Sprecher Ahmad Mansour.

Die anderen MFD-Assoziierten sind Marwan Abou-Taam, Mitarbeiter des LKA Rheinland-Pfalz, Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für islamische Studien an der Universität Münster und Abdul-Ahmad Rashid, Journalist im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Mitbegründer des MFD. In einem früheren Beitrag wurde auf die Verbindung des MFD über seinen Sprecher Mansour zum EFD und dadurch zum amerikanischen FDD berichtet. Die Verflechtungen und das Näheverhältnis zu antimuslimisch und islamfeindlich agierenden ausländischen Netzwerken scheint mit dieser neuen Verbindungslinie und Unterstützung der „Islamkritik“ durch das FFGI auch in Deutschland schrittweise den Charakter eines Netzwerkes zu erhalten. Oder soll man besser von „verlängerten Armen“ der ausländischen islamkritischen Szene in Deutschland sprechen?

Diesen Kreisen geht es nicht um eine „Reform“ oder eine „Liberalität“ des Islam, wie sie im Wort führen, sondern um die Etablierung antimuslimischer Narrative und die Konditionierung der Gesellschaft auf ein negatives Islambild, allem voran um die Diffamierung islamischer Religionsgemeinschaften, die durch ihre pure Existenz der Dekonstruktion eines kollektiven Verständnisses von Islam im Weg stehen.

Die Sache mit dem islamischen Lebensstil

Anhaltspunkte für diese Schlussfolgerung bieten das FFGI in seiner Selbstbeschreibung und der aktuelle Text Schröters in der FAZ. So heißt es in der Rubrik „Zentrum“ auf der FFGI Internetseite: „Islamismus und islamischer Fundamentalismus sind Phänomene, die in islamisch geprägten Staaten und in den muslimischen Diaspora-Gemeinschaften Europas zunehmend an Bedeutung gewinnen. Besonders in Staaten mit laizistischen oder pluralistischen politischen Traditionen zieht es Jugendliche massenhaft in islamistische Organisationen, erfreut sich ein islamischer Lebensstil großer Popularität, werden islamische Utopien in sozialen Gemeinschaften als soziopolitische Gegenentwürfe erprobt. Diese Entwicklungen bergen erheblichen Sprengstoff.“

Und weiter: „Das Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam versteht sich als Think Tank, das diese Dynamiken und andere aktuelle Entwicklungen in der islamischen Welt wissenschaftlich analysiert und ihre Relevanz für Deutschland herausarbeitet. Es verbindet regionale und nationale mit transnationalen und globalen Perspektiven und ist in der Lage, Zusammenhänge herzustellen und staatliche so wie zivilgesellschaftliche Akteure zu beraten.“

Das ist eine bemerkenswerte Selbstbeschreibung des FFGI. Ein islamischer Lebensstil ist also ein Problem, das „erheblichen Sprengstoff“ in sich birgt und näher analysiert werden muss. Islamische Identität, islamische Lebensgestaltung werden hier als explosive Probleme markiert. Wen wundert es da noch, dass islamische Religionsgemeinschaften, die zu einer solchen Lebensführung anleiten und die Pflege der gemeinschaftlichen Tradition einer solchen Lebensgestaltung praktizieren, durch die Akteure der „Islamkritik“ und ihre journalistischen und jetzt auch akademischen Steigbügelhalter kollektiv als radikal, gewaltaffin und gefährlich markiert werden?

Und offenkundig hält das von Schröter geleitete FFGI es auch für gefährlich und explosiv, dass Muslime sich Gedanken über eine bessere gesellschaftliche Zukunft machen und versuchen, aus ihrem Glauben heraus Ideen für soziopolitische Ansätze zu entwickeln. Eigentlich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass alle Bürger sich aus ihrer individuellen Perspektive für die Gesellschaft einsetzen und sich zum Wohle aller Gedanken für eine bessere Zukunft machen. Für Schröter sind das aber nur gefährliche „Gegenentwürfe“. Da traut man sich kaum noch nachzufragen, an welchen gesellschaftlichen „Entwurf“ sie denn jeden Abend kurz vor dem Schlafengehen denkt.

Und auch hier wieder die Verbindung regionaler Aspekte mit transnationalen und globalen Perspektiven. Das gesellschaftliche Engagement einer Moscheegemeinde in ihrer Stadt, mit Kirchen, anderen Religionsgemeinschaften, gesellschaftlichen und politischen Akteuren hat keinen Wert, keine für sich stehende Bedeutung. Sie muss stets in Verbindung zu globalen Ereignissen gesetzt werden. Warum? Damit die ihr vorgeblich innewohnende „Sprengkraft“ auch für den nichtmuslimischen Nachbarn erkennbar wird? Was bewirkt eine solche Arbeit, außer dass sie schon in der kleinstmöglichen Annäherung Misstrauen und eine Atmosphäre des Verdachts und der Isolation befördert? Kommt in einem solchen Weltbild nicht genau jene Geisteshaltung zum Ausdruck, die in jedem neuen gesellschaftlichen Impuls von außen nur das Böse am Werk sieht? Ist es nicht pure Panikmanche vor einer „islamischen Gefahr“, das Spiel mit dem Bild der gefährlichen Unterwanderung, wenn im Gegensatz zu den tatsächlichen Erkenntnissen auch hier wieder davon gesprochen wird, Jugendliche ziehe es „besonders in Staaten mit laizistischen und pluralistischen politischen Traditionen“ – also bei uns hier in Europa und nicht etwa in Militärdiktaturen, feudal-autokratischen Herrschaftssystemen oder durch Kriege zerstörten Gesellschaften – „massenhaft in islamistische Organisationen“? Ist das nicht eine „Forschung“, die ihr Ergebnis schon in den ersten Worten der eigenen Selbstbeschreibung vorweg nimmt? Und das alles mit Steuergeldern alimentiert.

Das ist die formale Ausgangslage. Sie wäre es wert, in einem gesonderten Beitrag noch ausführlicher analysiert zu werden.

Schröter erwähnt mich in ihrem Text namentlich. Meine Äußerung, mit der sie mich zitiert, leitet sie mit der Bemerkung ein, sie sei in „gewohnt polemischer Weise“ getätigt worden. Im Schröterschen Gesellschaftsentwurf dürfen sich Muslime offensichtlich nicht des Stilmittels der Polemik bedienen. Müssen Muslime stets dankbar, vornehm, zurückhaltend und höflich sein? Ist die Polemik nur für „Islamkritiker“ und ihre journalistischen Sekundanten reserviert?

Der Inhalt des Gastbeitrages offenbart dann auch, in welcher Tragödie sich der medienwirksame Teil der akademischen Landschaft in Deutschland bei dem Thema „Islam“ verstrickt hat. Es ist – wie man am Ende dieser Analyse sehen wird – eine heillose und deprimierende Tragödie der Unkenntnis vom Gegenstand der Betrachtung und man fleht förmlich darum, dass irgendwoher – deus ex machina – die Möglichkeit der Katharsis in Gestalt eines fundierten, an Fakten orientierten Disputes sichtbar wird. Aber noch deutet nichts darauf hin, dass wir den Höhepunkt des akademischen Dramas überwunden haben. Im Gegenteil.

Wo kein „Reformwillen“, da nur Radikalisierung

Schröter definiert gleich zu Beginn das Qualitätsmerkmal einer tauglichen islamischen Religionsgemeinschaft: „Reformwillen“. Man wartet dann den ganzen Text über, wann und wo sie denn endlich erläutert, warum das eine Voraussetzung sein soll, damit eine Religionsgemeinschaft sich „dem deutschen Staat als aufgeklärter Partner“ anbieten darf. „Aufgeklärt“: Noch so ein Merkmal, das Schröter in die Arena des Religionsverfassungsrechts wirft, ohne dass irgendjemand – es muss ja nicht einmal wissenschaftlich sein – überhaupt erklärt, was es dort verloren hat.

An diesem einleitenden Reflex Schröters erkennen wir, welchen Grad der quasi-pawlowschen Konditionierung der „islamkritische Diskurs“ schon bewirkt hat. Es muss nur jemand an der islamischen Glocke läuten, schon haben wir Appetit auf „Reform“ und „Aufklärung“. Worthülsen, mit denen nur ständig suggeriert werden soll, die islamischen Religionsgemeinschaften seien defizitär und mangelhaft. Verschwiegen wird, dass diese Kriterien nicht dem Grundgesetz und keinem der vielen höchstgerichtlichen Entscheidungen zum Religionsverfassungsrecht zu entnehmen sind.

Und so wird die Diskussion um islamische Religionsgemeinschaften auch selten auf dem Gebiet des Rechts geführt. Eigentlich ein Widerspruch zu der vielbeschworenen Geltungshoheit des Grundgesetzes, die offenbar nur dann als Argument ins Feld geführt wird, wenn es darum geht, religiöse Bezüge ins zweite Glied einzuordnen. Die Referenz des Grundgesetzes scheint aber schnell wieder in Vergessenheit zu geraten oder relativiert zu werden, wenn Muslime als Bürger und für ihre Institutionen die gleichberechtigte Anwendung und uneingeschränkte Geltung eben des gleichen Grundgesetzes reklamieren.

Das ist die Bühne, auf der Schröter ihre „islamkritische“ Inszenierung aufführt. Eine in vielen Diskussionen exemplarische Ausgangslage im „islamkritischen“ Diskurs, die hier bis in den letzten Winkel ausgeleuchtet wird, um zu verstehen, wie gravierend und für das gesellschaftliche Bild über Muslime prägend diese Mechanismen mittlerweile wirken.

Im zweiten Teil betrachten wir dann genauer die Inhalte, mit denen Schröter und die FAZ ihr Publikum unterhalten. Und wir werden sehen, ob es mehr Wahrheit oder Dichtung ist, was dort feilgeboten wird.