Angesichts der aktuellen – teils sehr kontroversen – Diskussionen um islamische Religionsgemeinschaften und ihre zukünftige Entwicklung, soll durch diesen ausführlicheren Beitrag, orientiert an konkreten Fragestellungen, der Versuch einer Einordnung und Bewertung wichtiger Aspekte der geführten Debatten unternommen werden. Es geht dabei weniger um Begriffsdefinitionen oder juristische Wissensvermittlung, sondern um eine inhaltliche Bewertung aktueller Diskussionsschwerpunkte. In zwei Abschnitten soll das Verhältnis des Staates zu Religionsgemeinschaften und das Verhältnis der Religionsgemeinschaften untereinander, durch jeweilige Teilfragen konkretisiert, erörtert werden.
Monthly archives of “Januar 2016”
Wehret den Anfängern!
Am 22.01.2016 veröffentlichte Online Redakteurin Charlotte Zink einen Artikel auf www.focus.de. Er trägt den Titel: „ „Etwa jede zweite Moschee ist anti-westlich“: Experte erklärt Macht der Imame“.
Dieser Focus-Beitrag ist auf vielen Ebenen exemplarisch. Er markiert gleichzeitig den aktuellen Tiefpunkt der Inflation des Begriffs „Experte“ und den Auftakt zu einer infamen neuen Hetzkampagne gegen muslimische Geistliche. Mit stilistischen und sprachlichen Mitteln öffnet sich hier das Tor zu neuen Abgründen der Stigmatisierung und der antimuslimischen, rassistischen Ausgrenzung nicht mehr nur der Muslime als diffuses Kollektiv, sondern konkret ihrer Moscheegemeinden und ihrer Imame.
Cuius regio, eius religio? – Vom Grünen Rückfall ins 17. Jahrhundert
Kürzlich wurde in diesem Blog die religionspolitische Entgleisung der Grünen Parteiführung kommentiert. Dabei ist offengelegt worden, dass die vermeintlich verfassungsrechtlich besorgten Aussagen von Özdemir und Beck in deutlichem Widerspruch zu ihren tatsächlich verfassungswidrigen Inhalten stehen.
Die Substanz der Grünen Positionen verflüchtigt sich ins Homöopathische, weil die Kritik an den etablierten muslimischen Religionsgemeinschaften unbegründet bleibt. Die Äußerungen Özdemirs und Becks bleiben Postulate, populistische Bedeutungs- und Befundbehauptungen. Sie entbehren jeglicher Plausibilität, schlüssiger Begründung oder verfassungsrechtlicher Herleitung. Sie verlassen sich darauf, dass die juristisch ungeschulten Adressaten sich die gespielte Empörung über die vermeintlich anmaßenden muslimischen Verbände zu eigen machen und ihre Diffamierung als religionsverfassungsrechtliche Simulanten nicht als das entlarven, was sie in Wirklichkeit ist – nämlich der Aufruf zum Verfassungsbruch.
Gebt die Grünen frei!
Der Deutschlandfunk berichtet am 18.01.2016, die Grünen beabsichtigten, voraussichtlich Anfang Februar ein neues religionspolitisches Konzept vorzulegen. Darin soll es um eine Neuausrichtung gegenüber den muslimischen Religionsgemeinschaften gehen. Besser gesagt darum, ihnen den verfassungsrechtlichen Status einer Religionsgemeinschaft abzusprechen. Zu diesem Thema haben sich die Grünen in jüngerer Vergangenheit bereits geäußert. Dazu wurde in diesem Blog Stellung genommen. Die inhaltliche Qualität der bisherigen Grünen Positionen und Argumente lässt befürchten, dass das neue religionspolitische Konzept eher dem Grünen Bauchgefühl, als verfassungsrechtlichen Vorgaben folgen wird. Einen Vorgeschmack bietet der vorbezeichnete Beitrag von Michael Hollenbach, in welchem die wesentlichsten Grünen Standpunkte nochmals dargelegt werden. In einem späteren Beitrag soll der verfassungsrechtliche Rahmen ausführlicher beleuchtet werden. Der folgende Text seziert vorher den Geist, der dem religionspolitischen Vorstoß der Grünen innewohnt:
Verteufelung der Prävention?
Auf islamiq.de wurde am 13.01.2016 ein Beitrag mit dem Titel „Der Teufelskreis der Prävention“ des Generalsekretärs des Islamrates und stellvertretenden Generalsekretärs der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüş (IGMG), Murat Gümüş, veröffentlicht, in dem die Maßnahmen der Extremismusprävention kritisch hinterfragt werden. Das Thema ist aufgrund seiner Aktualität und der recht eindeutigen kritischen Positionierung eines hohen Vertreters einer muslimischen Religionsgemeinschaft wert, eingehender diskutiert zu werden. Der folgende Kommentar soll ein solcher Diskussionsbeitrag sein.
Mit Rücksicht auf die spezielle Gemütslage der muslimischen Verbandslandschaft gilt es, mit einer wichtige Erläuterung zu beginnen:
Wie Karneval, nur ohne Kostüme
Nach den Ereignissen der Silvesternacht in Köln und anderswo muss man leider konstatieren: wir sind nicht überrascht. Die Reaktionen auf die verübten Straftaten fallen – leider – nicht aus dem Rahmen des Erwarteten.
Zeitungen und „Nachrichtenmagazine“, die ihr Motto wohl bald in „Hetze, Hetze, Hetze“ umwidmen werden, machen mit sexistischen und rassistischen Titelseiten auf. Damit wird die unterschwellige Phantasterei von gefährlicher, überwältigender Omnipotenz des Fremden befördert. Was „der Muslim“ über seinen vermeintlichen „Geburtendschihad“ als Projekt der demographischen Landnahme betreibt, flankiert er nun auch mit der Übergriffigkeit auf „unsere Frauen“.
Und unsere Medien machen sich auch noch freiwillig zum Instrument dieser rassistischen Pöbelei. Mal wieder gilt: Auflage vor Anstand.
Man kann froh sein, dass auf Titelseiten keine Kreuze brannten. Wir können aber noch nicht sicher sein, ob es nicht bald Berichte über Muslime geben wird, die vermeintlich Brunnen vergiften.
La donna è mobile…
Nach den Ereignissen in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof und den sich anschließenden öffentlichen Diskussionen müssen wir festhalten, dass unser Land, unsere Gesellschaft ein gravierendes und in seiner unheilvollen Entwicklung besorgniserregendes Problem hat.
Es ist nicht das Problem der aus einer Menschenmenge heraus verübten Straftaten. Das Phänomen der kollektiven sexuellen Übergriffe mag in seiner zeitlichen und örtlichen Konzentration ein neues Tatgeschehen sein. Die Übergriffe sind schockierend und ein Horrorszenario für jede rechtstreue Bürgerin und jeden rechtstreuen Bürger – gleich welcher Herkunft, gleich welchen Glaubens. Unsere Sicherheitsbehörden werden die Konsequenzen daraus ziehen und die öffentliche Sicherheit und Ordnung in zukünftigen vergleichbaren Situationen besser gewährleisten. Die Politik wird ihre Verantwortung tragen und die personellen und operativen Möglichkeiten der Polizeibehörden verbessern.