In eigener Sache

Als Syndikusanwalt sehe ich neuen Herausforderungen und spannenden Aufgaben entgegen: Mit sofortiger Wirkung widme ich mich ausschließlich den juristischen Interessen des Zentrums für Soziale Unterstützung e.V. und der ZSU-GmbH (http://zsu-gmbh.eu/). Diese wichtige und herausfordernde Arbeit wird meine ganze Kraft und…

Braune Armee Fraktion

Vorbemerkung:

Die deutsch-türkische Kommunikation ist seit längerer Zeit belastet. Inhalt und Art des öffentlichen Umgangs im deutsch-türkischen Verhältnis tragen immer mehr Züge einer feindseligen Auseinandersetzung. Sachfragen treten immer mehr in den Hintergrund. Selbst sachliche, begründete Kritik wird, wenn sie von außen kommt, als infamer Angriff oder wenn sie intern geäußert wird, als heimtückischer Verrat verstanden. Die Tendenz zur Frontenbildung macht eine nüchterne inhaltliche Debatte nahezu unmöglich. Beide Seiten müssen, wollen sie das dauerhafte Zusammenleben nicht aufs Spiel setzen, sprachlich abrüsten und sich auf inhaltliche Fragen konzentrieren. Und diese Inhalte sind schwierig genug.

Der hier vorliegende Blogtext darf vor dem Hintergrund der obigen Einleitung nicht als eine Art Gegenschlag in den aktuellen Debatten verstanden werden. Eine solche Instrumentalisierung würde dem Thema nicht gerecht und das Andenken der Opfer entwürdigen. Die Arbeit an diesem Text begann vor den aktuellen Diskussionen und sollte im Ergebnis ein Versäumnis offenlegen, vielleicht eine selbstkritische Betrachtung ermöglichen.

Aus diesen Gründen möge dieser Blogtext in den aktuellen, sehr schwierigen Diskussionen auch nicht zu einer weiteren Frontenbildung missbraucht werden. Zu den aktuellen Debatten wurde bereits in den letzten Blogtexten kritisch Stellung genommen. Diverse Reaktionen auf diese Stellungnahmen haben offengelegt, wie groß die Unfähigkeit zu selbstkritischer Reflexion mittlerweile geworden ist.

Dies zu überwinden und eine sachliche und problembewusste Auseinandersetzung mit den wichtigen Themen des deutsch-türkischen Zusammenlebens zu fördern, ist das Grundanliegen dieses Blogtextes. Der immer mehr in Vergessenheit zu driften drohende Skandal, der in dem folgenden Text thematisiert wird – eigentlich müsste man im Plural von diversen Skandalen sprechen – ist und bleibt ein Hindernis im Zusammenwachsen unserer Gesellschaft. Und daran trägt die betroffene türkische Community eine nicht unerhebliche Mitverantwortung: Heute tagt der 3. NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages in seiner 49. Sitzung – wieder einmal ohne dass die türkische Community davon Kenntnis nimmt.

Wolkengrab

Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends

wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts

wir trinken und trinken

wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt

der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete

er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Rüden herbei

er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde

er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz

Wenn sich nichts ändert, wird nichts so bleiben wie es ist

Mit dem letzten Blogbeitrag dürfte deutlich geworden sein, dass der Verfasser dieser Zeilen die Krisenmanagementstrategie „Abwarten und hoffen, dass nichts passiert“ nicht als angemessene und sachdienliche Antwort auf die aktuellen Fragen hält, mit denen die größte islamische Religionsgemeinschaft in Deutschland jetzt konfrontiert ist.

Das ist nicht nur Ausdruck einer persönlichen Haltung. Vielmehr soll dadurch erkennbar und nachvollziehbar werden, dass keiner der durch die Nachrichtenlage bis ins Mark ihres Selbstverständnisses getroffenen DITIB Landesverbände mit der gegenwärtigen Situation zufrieden sein kann. Vorwürfe und Ereignisse, die sich außerhalb der Kompetenz- und Einflusssphäre der ehrenamtlich tätigen Gemeinschaftsvertreter ereignet haben, sind nun zu einem Stigma geworden, welches wohl über Jahre hinweg das Ansehen und die Glaubwürdigkeit aller Landesverbände und ihrer Moscheegemeinden – bis in das Berufs- und Privatleben jedes einzelnen Mitglieds hinein – beeinträchtigen wird.

Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester …

Am 18. Dezember 2016 schrieb ich hier auf diesem Blog:

„Diese Herausforderung müssen wir gerade mit Blick auf die deutsch-türkischen Verhältnisse und angesichts der vielen Menschen, die gleichzeitig mit beiden Ländern untrennbar verbunden sind, annehmen und ihr gerecht werden. Die aktuelle, sehr ernste Nachrichtenlage macht deutlich, dass wir an dieser Stelle noch viele Versäumnisse haben und Fehler begehen. Der Schlüssel zu unserem gedeihlichen Zusammenleben ist jedoch gegenseitiges Vertrauen. Dort, wo dieses Vertrauen zerrüttet wird, müssen wir mit deutlichen Worten und zügigen Schritten, wenn nötig auch mit schmerzhaften Veränderungen alles dafür tun, es wiederzugewinnen. Jeder Tag der Untätigkeit, jedes weitere Zögern und Hadern vertieft nur die Gräben des Misstrauens.“

Mit deutlichen Worten und zügigen Schritten. Das war, wie gesagt, am 18. Dezember 2016.

Mein Berlin

Im letzten Blogbeitrag habe ich versucht darzulegen, dass nur die unmittelbare Begegnung, die Nähe zum Anderen, das Miterleben seiner ihm eigentümlichen – gerade auch religiösen – Details das Verständnis füreinander und den Wunsch nach friedlichem Zusammenleben festigen kann. Denn Gleichgültigkeit ist der Nährboden für Ablehnung. In der Leere, die durch Distanz entsteht, gedeiht nichts Fruchtbares. In ihr keimt vielmehr der Drang nach Ausgrenzung, nach Entmenschlichung, letztlich nach Zerstörung. Diese Distanz müssen wir überwinden. Durch noch mehr Annäherung, Neugier aufeinander, aufrichtigem Interesse an der Lebens- und Glaubenswelt des Anderen.

Wir leben in Zeiten der rapide zunehmenden Polarisierung des Denkens und Handelns. Diese Trennlinien, die wir zwischen uns ziehen, verursachen immer größere Distanz und Leere. Sie wird von immer schrilleren, immer exzessiveren Gedanken gefüllt. In ihr hallt eine immer aggressivere Sprache wider, mit der das Eigene überhöht und idealisiert und das Andere immer extremer ausgegrenzt und herabgewürdigt wird. Das gilt für alle Hassprediger im öffentlichen Leben, in den klassischen und sozialen Medien, gleich welcher Gesinnung, gleich welchen Glaubens oder Nichtglaubens. Niemand ist davor gefeit. Niemand ist ein besserer Mensch, nur weil er dieser oder jener Gruppe angehört.

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit

Die deutsch-türkischen Verhältnisse sind seit einiger Zeit extremen Belastungen und Anspannungen ausgesetzt. Jede Seite hat aus ihrer Sicht vertretbare Gründe, die Haltung der jeweils anderen Seite zu kritisieren. Die eingenommene Position gleicht auf beiden Seiten aber immer mehr der einer Wagenburg.

Mehr als nur Kopftuch in Karlsruhe

Das Bundesverfassungsgericht hat mit der aktuellen Entscheidung (Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. Oktober 2016 – 1 BvR 354/11 – Rn. (1-77)) seine vorherige Rechtsprechung zu der Frage der Zulässigkeit eines „islamischen Kopftuches“ im Schuldienst bekräftigt und nun auch für den Bereich der Kinderbetreuung in Kindertagesstätten konkretisiert.

Die DITIB wurde im Beschwerdeverfahren angehört und hat eine schriftliche Stellungnahme zu den entscheidungserheblichen Fragen abgegeben. Um etwaiger Entrüstung vorzubeugen: Nein, das ist keine Islamisierung des Bundesverfassungsgerichtes. Nein, vermeintlich verlängerte Arme ausländischer Staatsoberhäupter reichen nicht bis in deutsche Gerichtssäle. Es ist schlicht die geltende Rechtslage und eine durch § 27a Bundesverfassungsgerichtsgesetz vorgesehene Möglichkeit der Anhörung sachkundiger Dritter.

Es ist erfreulich, dass das Bundesverfassungsgericht bei einer solchen gewichtigen Fragestellung auch die Rechtsauffassung der größten islamischen Religionsgemeinschaft in Deutschland für relevant hält. Man kann nur hoffen, dass diese Sachlichkeit auch auf anderen Ebenen der Zusammenarbeit mit islamischen Religionsgemeinschaften und des mit ihnen geführten Dialoges wieder Einzug hält.

Heimaten

„Nun haben wir auf [vielen] Seiten Nein gesagt, Nein aus Mitleid und Nein aus Liebe, Nein aus Haß und Nein aus Leidenschaft – und nun wollen wir auch einmal Ja sagen. Ja –: zu der Landschaft und zu dem Land Deutschland.

Dem Land, in dem wir geboren sind und dessen Sprache wir sprechen.

Der Staat schere sich fort, wenn wir unsere Heimat lieben. Warum grade sie – warum nicht eins von den andern Ländern –? Es gibt so schöne.

Blind Side

Die aktuellen Diskussionen um die Äußerungen der Integrationsbeauftragten, Staatsministerin Özoğuz, zeigen einmal mehr, wie unheilvoll die Zwänge eines brisanten Wahlkalenders gepaart mit der von populistischen Narrativen durchzogenen öffentlichen Debatte um und über den Islam auf die Urteilsfähigkeit aller Beteiligten einwirken.

Das Bundesministerium des Inneren (BMI) hat eine Vereinigung verboten, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Im Rahmen der Verbotsverfügung hat das BMI deutlich gemacht, dass sich die vereinsrechtliche Maßnahme nicht gegen die Religionsfreiheit, nicht gegen die Religion des Islam, nicht gegen Muslime aufgrund ihres Glaubens und auch nicht gegen das Verteilen des Korans richtet. Alldem gewährt der Staat weiterhin den Schutz des Gesetzes. Er geht aber gegen Organisationen und Personen vor, die Gewalt legitimieren, zur Gewalt aufrufen und Menschen dazu ermutigen, Gewalt anzuwenden.

Das ist weder ein verdachtsunabhängiges, noch ein willkürliches oder ein voreiliges Vorgehen der zuständigen Behörden. Die lange Prüfung und Vorbereitung dieser Maßnahme und die Anwendung vereinsrechtlicher und vorerst nicht strafrechtlicher Maßnahmen macht deutlich, dass hier im Rahmen der rechtsstaatlich gebotenen Verhältnismäßigkeit vorgegangen wurde.