Die Debatten innerhalb der türkeistämmigen muslimischen Bevölkerung in Deutschland sind seit mehreren Jahren einem Veränderungsdruck ausgesetzt, der sich als Phänomen der Reflexion gesellschaftlicher und politischer Veränderungen in der Türkei darstellt.
Der politische und damit auch der öffentliche Raum in der Türkei ist seit mindestens zehn Jahren durch eine Rhetorik der kategorischen Feindschaft geprägt. Es ist ganz konkret dem politischen Stil Erdogans geschuldet, dass gesellschaftliche Kontroversen nicht mehr als Streit politischer Lager oder gegensätzlicher politischer Meinungen ausgetragen werden.
Spätestens seit den Gezi-Protesten sichtbar, als Ursache dieser gesellschaftlichen Protestbewegung schon in den Jahren zuvor immer deutlicher spürbar, war und ist die politische Rhetorik Erdogans kein Streit mehr um politische Konzepte zum Wohle der Allgemeinheit. Sie ist vielmehr eine zum Höhepunkt der kategorischen Feindschaft eskalierte Vision einer absoluten, singulären Machtfigur und ihrer Feinde.
Die zentrale Figur dieses Antagonismus ist Erdogan als Wiedergeburt eines osmanisch-türkischen Anspruchs auf Führerschaft und einzig legitime Existenzform einer türkischen Identität. Eine Nation, ein Volk, eine Fahne, eine Religion. Und natürlich nur ein Führer, der all diese Ansprüche auf Konzentration auf das Absolute in der eigenen Person bündelt und zum Machtanspruch von Gottes Gnaden deklariert.
Religion dient in dieser Konstellation von Alleinherrschaft als Legitimation der Macht und als Instrument ihrer Ausübung. Erdogan ist der Führer auf den Zinnen der letzten Festung des Islam. Stürzt er, stürzen die Mauern dieser islamisch-türkischen Festung unter dem Angriff ihrer Feinde. Feinde, das sind alle, die sich gegen diesen Machtanspruch wehren. Egal in welcher Form, Gestalt oder Intensität. Selbst Karikaturisten, Journalisten oder Schulkinder können zu Feinden, zu „Agenten-Terroristen“ mutieren, stellen sie sich durch Gegenrede, oppositionelle Kunst oder als Opfer von staatlicher Gewalt in den Weg dieser absoluten Machterzählung.
Sünde wird Tugend, Tugend wird Verrat
Selbst die immer deutlicher erkennbare Kleptokratie unter Erdogan, ja selbst die Manifestation dieser Entwicklung in seiner Person, können den Anspruch auf diese Macht nicht zerrütten. Es ist die moralische Bankrotterklärung des politischen Islam, dass gerade unter ihrer Machtepoche, gerade in den Reihen ihrer Anhängerschaft die Veruntreuung staatlichen Vermögens, Nepotismus und Korruption nicht mehr als Skandal verstanden, sondern als geringer Schönheitsfehler unter Muslimen verharmlost wird. Er mag stehlen, soviel er will, Hauptsache uns geht es persönlich besser als vorher. Er mag ein Dieb sein, aber er ist unser Dieb.
Die Mittäterschaft oder zumindest die Nutznießerschaft bei der Plünderung staatlichen Vermögens schweißt den Führer und seine Anhängerschaft zusammen. Und bei manchen reicht schon das Gefühl, eine überlegene Identität, eine überlegene Religion zu verteidigen aus, um sich unerschütterlich dieser Macht auszuliefern, selbst wenn der Raubzug auch auf ihre Kosten als Steuerzahler geht. Die Gefahr, den materiellen Status oder den Anspruch auf eine selbst konstruierte selbstbetrügerische moralische Überlegenheit zu verlieren, reicht mittlerweile aus, um jede Sünde der Macht zu verteidigen, jeden Fehler zu verzeihen oder gar in eine Tugend umzukehren. Die Angst davor, was passieren wird, sollten sich die Machtverhältnisse jemals umkehren, verstärkt den Kadavergehorsam der Erdogan-Anhänger.
Dabei ist es mittlerweile völlig gleichgültig, wie moralisch verwerflich, rechtlich unvertretbar oder islamisch illegitim ein Verhalten ist. Der Machtanspruch hat sich verselbständigt und ihren religiösen Legitimationsbezug längst überholt. Der Maßstab dafür, was legitim, was anständig, was islamisch ist, entscheidet sich nicht mehr durch das muslimische Gewissen oder die schriftlichen Grundlagen der Religion, sondern nur noch durch den Nutzen zu Gunsten des politischen Machterhalts. Jede Sünde kann in diesem System zur Tugend werden. Und jede Tugend zum Verrat am Führer.
Was das mit Deutschland zu tun hat
Weshalb dieser lange Einstieg? Es ist wichtig zu erkennen, dass es diese innertürkischen Dynamiken sind, die unsere innermuslimischen Debatten hier in Deutschland verzerren und belasten. Das Ausmaß dieser Verzerrungen ist nur zu verstehen, wenn man das Ausmaß der Deformationen in der Türkei nachvollziehen kann.
Diese Verzerrungen und Missbildungen der öffentlichen Debatte werden bei allen Gelegenheiten deutlich. Noch erkennbarer werden sie in jenem Spannungsverhältnis, das die Exklusivität von Identität und damit der innertürkischen Machterzählung infrage stellt.
Der Fall George Floyd und die Diskussionen um rassistische Polizeigewalt und rassistische Strukturen in diversen Gesellschaften hat diese Verwerfung unter türkeistämmigen Muslimen in Deutschland nochmal sichtbar werden lassen.
Innerhalb der türkisch-muslimischen Bevölkerung in Deutschland gibt es längst keine argumentativ ausgefochtenen Debatten mehr. Türkische Identitäre reproduzieren die Rhetorik und den Führungsstil ihres Führers: es gibt keine Meinungsverschiedenheit mehr, sondern nur Gehorsam oder Verrat.
Widerspruch zum Überlegenheitsanspruch der Türkei im Vergleich zu Deutschland oder den USA ist keine legitime Meinung, die argumentativ widerlegt werden müsste, sondern immer nur Ausdruck eines fremdbestimmten, durch persönlichen materiellen Nutzen motivierten, durch türkischen Selbsthass beförderten, durch Anbiederung an „den Deutschen“ und „den Juden“ befeuerten Verrats am Islam und an der Türkei.
Der Kritiker ist der Hund an der Leine seines deutschen Herren, das Schwein, das sich an staatlichen oder jüdischen Futtertrögen vollfrisst, der blinde Affe, der sein überlegenes religiös-kulturelles Erbe nicht wertschätzt und aus tief empfundener Minderwertigkeit jedes Kunststück aufzuführen bereit ist, das seine der Türkei feindlich gesinnten Herren von ihm verlangen. Zu diesen Kunststücken gehört zuvörderst natürlich die Abscheulichkeit des „deutschen Islam“.
Rassisten sind immer die Anderen
Im Zuge der öffentlichen Proteste um den Fall George Floyd hat es dann auch nicht lange gedauert, dass aus dieser Szene heraus wieder die Instrumentalisierung solcher Ereignisse zu Gunsten der eigenen Machterzählung und als Beweis für den eigenen Überlegenheitsanspruch begann. Die ideologische Verzerrung folgt folgender gedanklicher Linie: Die USA und Deutschland sind beim Problem Polizeigewalt und Rassismus schlimmer als die Türkei. „Der Jude“ ist Vorbild eines Oppressors, der als Inspiration für die amerikanischen und deutschen Verhältnisse dient. Die Türken in Deutschland sind verglichen mit den USA die Schwarzen in Deutschland.
Jeder, der es wagt, dieser Einordnung zu widersprechen, wird als Haustürke markiert. Diese Formulierung „Haustürke“ ist das beliebteste Stilmittel der türkisch-identitären Szene in Deutschland. Es ist so beliebt, weil es historische Kontextualisierung und politische Aufmerksamkeit und Erkenntnistiefe suggeriert. Man bewirft den Meinungsfeind mit dieser Formulierung und überlässt dem eigenen Publikum die oben zitierten Assoziationen, die sich mit dem Feindstatus verbinden lassen.
Die Formulierung „Haustürke“ erspart Argumente. Denn man will nicht überzeugen, man will nur brandmarken. Der Feind muss nicht überzeugt werden. Es reicht, ihn zu vernichten. Und der sozialen Ausgrenzung aus und der Eliminierung von Wirksamkeit in der türkeistämmigen Bevölkerung dient diese Markierung einzig und allein.
Ob diese Markierung inhaltliche Substanz hat oder einfach nur Ausdruck einer tiefen Dummheit ist, spielt überhaupt keine Rolle. Auf die Wirkung allein kommt es an.
Ihre Verwender werden sich deshalb auch nicht davon abbringen lassen, diesen Begriff wiederholt in den öffentlichen Raum einzuspeisen. Aber vielleicht lassen sich junge Menschen davon abhalten, dieses Verhalten zu reproduzieren, wenn sie auf die historische und religiöse Abwegigkeit dieser Formulierung aufmerksam gemacht werden.
Zunächst: Nicht die Türken sind die Schwarzen in Deutschland. Die Schwarzen sind die Schwarzen in Deutschland.
Ja, auch Türken erfahren Diskriminierung und Ausgrenzung. Ihre Erfahrungen sind aber nicht identisch mit denen schwarzer Menschen in Deutschland. So zu tun, als ob das der Fall wäre und antischwarzen Rassismus als Problemschablone auf die Erfahrungen Türkeistämmiger in Deutschland anzuwenden, um sich gleichzeitig über mangelnde Aufmerksamkeit im Vergleich z.B. zum Fall George Floyd zu beschweren, ist nicht Ausdruck eines wachen Problembewusstseins.
Es ist schlichte und in der Leichtigkeit ihrer Anwendung schockierend gleichgültige Instrumentalisierung des durch Diskriminierung verursachten Leids schwarzer Menschen in Deutschland. Es ist der Missbrauch ihrer schwarzen Haut als Trittbrett für den eigenen Protest und gleichzeitig für die Rechtfertigung der politischen Verhältnisse in der Türkei. Es mag nicht das Knie auf dem Hals eines schwarzen Menschen sein. Aber dieses Verhalten ist der Tritt auf die Schultern schwarzer Menschen in Deutschland, um sich auf ihrem Rücken in die Aufmerksamkeitssphäre der Öffentlichkeit zu erheben. Wer so handelt und redet, dem geht es nicht darum, schwarze Menschen zu hören und sie gesellschaftlich hörbar zu machen. Es ist vielmehr der Missbrauch schwarzer Haut als Mittel für den eigenen chauvinistischen Zweck.
Das Verhalten der türkeistämmigen Identitären, die somit jede auch unpassende Gelegenheit zur Verteidigung ihrer Überlegenheitsideologie missbrauchen, ist auch aus einer selbstbewussten muslimischen Perspektive weder verständlich, noch in irgendeiner Weise förderlich.
Die Selbstversklavung der türkischen Identitären
Zu glauben, mit einem Malcolm X-Zitat sei alles Wichtige zu unserer Situation in Deutschland gesagt, ist Ausdruck einer erstaunlich simplen Stumpfsinnigkeit und offenbart ein erschreckendes Verständnis des Islam.
In Deutschland gibt es kein Feld, auf dem ihr türkisch-identitären Sklaven schuftet und gebrochen werdet. Ihr habt euch nicht aus edlem Stolz oder unbeugsamer Würde für einen unbezahlten Dienst unter der Peitsche eurer deutschen Aufseher entschieden. Und wir sind keine buckelnden türkischen Sklaven und haben uns nicht in ein Haus geflüchtet, in dem es sich angenehmer dienen lässt. Wir sind im Vergleich zu euch nicht besser gekleidet, besser genährt und werden nicht besser behandelt. Wir verteidigen keine Herren und singen keine fremden Lieder, um weiter Vergünstigungen zu erhalten.
In Wirklichkeit ist es doch vielmehr so, dass zum Beispiel wir aus der Alhambra Gesellschaft für unsere seit über drei Jahren jede Woche veröffentlichten Freitagsworte nicht einen einzigen Cent an öffentlichen Fördermitteln oder privaten Spenden entgegengenommen haben. Oder unseren Dauernörgler Podcast aus eigenen Mitteln, nämlich dem privaten Ankauf halbwegs ordentlicher Mikrofone, finanzieren und für die Mühe und Leidenschaft, sich regelmäßig über sinnvolle Inhalte Gedanken zu machen, nicht bezahlt werden.
Dabei sind wir nicht nur dem Rassismus ausgesetzt, den auch ihr türkischen Identitären in Deutschland erlebt, sondern müssen auch zusätzlich euren Rassismus ertragen, mit dem ihr uns unserer Liebe und Zuneigung für die Türkei berauben wollt.
Dabei sitzt ihr doch bequem auf den teuren Sesseln eurer deutschen Vereine, in denen ihr nur Türkisch sprecht und jeden, der es wagt, über die Verhältnisse auch nur kritisch zu denken, vor die Tür setzt. Und in dieser Konstellation habt ihr allen Ernstes für uns die Rolle des Haustürken vorgesehen?
Keinen von uns, weder euch und eure Eltern, noch uns und unsere Eltern hat man nach Deutschland verschleppt. Unsere Eltern hatten eine Wahl und haben sich dafür entschieden, in Deutschland zu leben und zu arbeiten. Viele von ihnen haben mit dieser Arbeit etwas für sich und ihre Nachkommen aufgebaut. Dieses Schicksal wollt ihr mit dem von Sklaven vergleichen?
Werdet ihr eurer körperlichen Freiheit in Deutschland beraubt? Werdet ihr dann gehindert, dorthin zu flüchten, wo ihr euch ein besseres Leben und mehr Freiheit versprecht? Es ist doch in Wirklichkeit so, dass ihr von einem System profitiert und es verteidigt, in welchem ihr euch nicht vorstellen könnt, auch nur ein einziges Jahr zu leben. Ihr genießt eine Freiheit der Rede und des Handelns, um Zustände zu verharmlosen und zu beschönigen, in welchen der gleiche Anspruch auf Freiheit und Gegenrede nicht selten im Gefängnis oder in der Zerstörung der bürgerlichen Existenz endet. Und dieses Verhalten, euer Verhalten, soll der Maßstab unbeugsamen Anstandes für mich sein?
Ihr wollt euer Schicksal, die Fügung eurer Schöpfung nicht annehmen, habt aber gleichzeitig auch nicht den Mut, etwas an euren Zuständen zu ändern.
Eure Existenz in Deutschland begreift ihr als Irrtum des Schicksals. Ihr wähnt euch hineingeworfen in diese Gesellschaft, ohne mit ihr Sinn und Zweck für euer Leben verbinden zu können. Ihr habt nicht den Mut, diese Zustände zu verlassen. Ihr empfindet aber auch keine Verantwortung dafür, diese Verhältnisse zum Wohle aller positiv zu verändern.
Ihr ackert nicht, ihr schuftet nicht, ihr bewirtschaftet kein Feld, auf dem etwas gedeihen soll. Ihr sitzt nur da, schweigt euch von Gehaltszahlung zu Gehaltszahlung und wenn ihr den Mund aufmacht oder handelt, dann um all jene öffentlich zu beschimpfen, die ihre Geburtsstätte und den Ort ihrer Lebenswirklichkeit nicht als fremdes Haus begreifen, in dem sie fremden Herren dienen, sondern als eigenes Haus, für dessen Erhalt und Ausbau sie Verantwortung tragen.
Haustürke aus ganzem Herzen
Ihr begreift euer Schicksal nicht als Prüfung, nicht als Handlungsauftrag. Euer Schicksal widerfährt euch nur, wie euch alles nur widerfährt. Jede Widrigkeit, jedes Hindernis, das es im Leben zu überwinden gilt, stößt euch zu. Euer einziges Thema, eure einzige Wahrnehmung eurer Wirklichkeit ist es, dass euch vermeintlich immer nur etwas zustößt, dass euch immer wieder etwas widerfährt.
Ihr tastet euch dauernd immer nur um diese Säule eures Leids herum und jammert unaufhörlich, man habe euch eingemauert. Für euch ist die Überwindung eines solchen Zustandes nur möglich, wenn man sich einer höheren Macht andient – so kennt ihr das aus den Verhältnissen in der Türkei und so empfindet ihr den Zustand in Deutschland.
Jeder, der euch widerspricht, von euch Handeln, statt Wehklagen erwartet, muss sich einer fremden Macht verschrieben haben. Aus eigenem Antrieb kann man diesen Mauern nicht entkommen – so habt ihr es verinnerlicht.
Diesen Blick auf das Leben und auf das Schicksal kann und will ich nicht teilen. Um bei eurer Formulierung zu bleiben: Ja, ich bin ein Haustürke. Aber nicht als Sklave in einem fremden Haus, für fremde Herren. Als Deutscher gehört mir dieses Haus. Ich bin einer von 80 Millionen Miteigentümern. Wie lebenswert dieses Haus ist und sein wird, hängt auch davon ab, wie sehr ich bereit bin, mich mit darum zu kümmern.
Ja, ich bin ein Haustürke. Als Türke gestalte ich dieses Haus auf eine andere Art mit, als es bisher ohne Türken gestaltet wurde. Ich habe den Anspruch, dass dieses Haus mit meinem türkischen Beitrag lebenswerter für alle werden kann.
Ja, ich bin ein Haustürke. Es ist mein Haus, und weil es auch mein deutsches Haus ist, trage ich die Verantwortung dafür, dass mein muslimischer Beitrag für dieses Haus von allen als ein gedeihlicher, als ein fruchtbarer Beitrag erlebt werden kann. Deshalb versuche ich mich auch als deutschen Muslim zu verstehen, der mit seinem Islam für alle verständlich, glaubwürdig und hilfreich ist. Denn wozu sollte mich Gott in diese Zustände hinein erschaffen haben, wenn nicht, um meinen Glauben als ein fruchtbares Fundament für alle auszubauen, die mit mir in Berührung kommen?
Ja, ich bin ein Haustürke und ich bin dankbar dafür. Meine Lebensumstände verleihen meiner Existenz einen Sinn, der vielleicht sichtbarer und wahrnehmbarer ist als bei vielen anderen Menschen. Mein Glaube ermahnt mich dazu, wahrzunehmen, dass die Häuser, die wir in unserem Leben bewohnen, zuvor von vielen anderen bewohnt wurden und nach uns von vielen anderen bewohnt werden. Mein Glaube ermahnt mich dazu, wahrzunehmen, dass ich das Haus, das ich bewohne, nur vorübergehend nutzen und nicht auf ewig mein Eigen nennen kann. Ich trage aber die Verantwortung, mein Haus so zu gestalten, dass zu meinen Lebzeiten alle mit Freude und in Frieden darin wohnen können und dass die Menschen, lange nach meinem Tod, etwas in diesem Haus finden, das ich ihnen hinterlassen habe und das sie wertschätzen und pflegen und erhalten und weitergeben. Deshalb bin ich sehr gerne und aus tiefstem Herzen ein muslimischer Haustürke in diesem, meinem deutschen Haus.
Und wer es in dieser bildhaften Sprache nicht begreift, dem sei ein praktisches Beispiel aufgezeigt: Freitagsworte der Alhambra Gesellschaft waren Gegenstand der ersten mündlichen Abiturprüfung im Fach Islamischer Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen.
Niemand hat die Alhambra Gesellschaft dafür bezahlt. Und niemanden hat die Alhambra Gesellschaft dafür bezahlt. Niemand hat Futtertröge gefüllt oder gelehrt, damit das passiert. Niemand hat niemandem gedient, damit das passiert. Die Verfasser hatten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ihrer Texte weder die Absicht, noch die entfernteste Vorstellung davon, dass diese Texte jemals für diesen Zweck verwendet werden.
Aber sie hatten das Gefühl, ihrem Glauben in einer Sprache Ausdruck und Inhalt verleihen zu müssen, der von allen Bewohnern ihres Hauses verstanden wird. Und diese Texte schmücken nun auf ewig die Wände dieses gemeinsamen Hauses.
Und wer immer noch nicht in diesem Haus leben will, sollte dies langsam begreifen: ihr könnt euch weiter auf euer Feld einer einzigen überlegenen Nation, eines einzigen wertvollen Volkes und einer einzigen glaubwürdigen Religion zurückziehen. Ihr könnt euch weiter mit Beschimpfungen und Anfeindungen auf diesem Feld austoben. Euch muss aber klar sein, dass ihr mit eurem Hass und eurer Feindseligkeit nur beständig Salz auf euren Acker streut. Außer Verbitterung werdet ihr nichts ernten.
Es sind keine achtungsvollen, keine herzlichen und auch keine freundlichen, sondern nur viele Grüße
Euer Haustürke