Auf postfaktisch folgt postfriedlich

Im letzten Blogbeitrag sind die undemokratischen Entwicklungen im parteipolitischen Feld skizziert worden. In diesem Text beleuchten wir die undemokratischen Entwicklungen im gesellschaftspolitischen Bereich.

Die Grünen haben „Klarheit geschaffen“, dass ihnen unser Grundgesetz, höchstrichterliche Rechtsprechung und zahlreiche gutachterliche Feststellungen zu dem verfassungsrechtlichen Status der islamischen Religionsgemeinschaften gleichgültig sind. Sie haben „Klarheit geschaffen“, dass sie nicht mehr die Partei des Grundgesetzes und des Schutzes von Minderheitenrechten sind.

Klarheit im Verfassungsbruch

Dabei steht in vorderster Reihe überraschenderweise gerade ein Politiker wie Volker Beck, der seinen steten Einsatz für Minderheitenrechte und die Gleichberechtigung aller Bürger dieses Landes – und damit seine bisherige politische Karriere – mit einer unbeirrbaren Ignoranz gegenüber dem Recht, dem Grundgesetz und der tatsächlichen Arbeit der islamischen Religionsgemeinschaften konterkariert. Dabei werden Argumente ins Feld geführt, die nur aus Worthülsen bestehen und keinen Bezug zur Realität, zum Faktischen aufweisen.

Die islamischen Verbände seien nicht „bekenntnisförmig“. Ein willkürlich erfundenes Kriterium, das selbst Volker Beck nicht verständlich definieren kann und welches allein dazu dient, die politische Stigmatisierung islamischer Religionsgemeinschaften – also eine AfD-Strategie – zu fördern. Dass es allein die islamischen Religionsgemeinschaften sind, die praktiziertem islamischem Glauben von der Geburt bis zur Bestattung einen faktischen und ideellen Raum bieten, diesen spirituell füllen und die religiösen Beistand suchenden Menschen begleiten, wird dabei verschwiegen.

Stattdessen sollen diese Religionsgemeinschaften nur „religiöse Vereine“ sein. Religiöse Vereine kümmern sich aus einer religiösen Motivation heraus nur um einzelne Aufgaben, ohne mit der Gesamtheit ihrer Dienste eine umfassende identitätsstiftende Funktion zu erfüllen. Das heißt, ein islamischer Verein, der sich nur um Bestattungsdienste kümmert, wäre ein religiöser Verein. Ein Verein, der nur religiöse Schriften publiziert, wäre zum Beispiel ein religiöser Verein.

Distanz zum muslimischen Bürger

Die Grünen wollen nun mit Anspruch auf Ernsthaftigkeit die Ansicht vertreten, die etablierten islamischen Religionsgemeinschaften seien keine solchen, weil sie nur die politische Vertretung ihrer Mitglieder bezweckten und keine umfassenden religiösen Dienste anböten. Mehr Realitätsverleugnung geht nicht. Jede kommunale Untergliederung der Grünen, jede grüne Politikerin und jeder grüne Politiker, der sich vor Ort, in seiner Heimatgemeinde mit der Arbeit der islamischen Religionsgemeinschaften vertraut gemacht hat, weiß, dass diese Behauptung nicht stimmt, dass sie wider besseres Wissen aufgestellt und propagiert wird. Mehr Distanz zur Wählerschaft, zum Bürger, zu muslimischen Menschen geht wirklich nicht.

Die Grünen wollen von der realitätsentrückten Parteispitze aus den Bürgern erzählen, die Evangelische Kirche sei keine Religionsgemeinschaft mehr, sondern nur ein religiöser Verein. Und das evangelische Frauenwerk sei in Wirklichkeit die wahre Religionsgemeinschaft. Sie wollen uns davon überzeugen, dass die Katholische Kirche keine Religionsgemeinschaft mehr sei, sondern stattdessen die Caritas. Sie kommen vielleicht bald auch auf die Idee, der Zentralrat der Juden sei keine Religionsgemeinschaft, weil sie auch die politischen Interessen ihrer Mitglieder vertritt.

Wehret den Anfängen

Vielleicht merken auch führende grüne Politiker, dass sie eine die Religionsfreiheit aushöhlende, dass sie eine gefährliche weil unser Verfassungsrecht relativierende Haltung einnehmen, mit Blick auf den Wahlkalender aber glauben, mit den Muslimen im Lande könne man das ruhig machen. Der Protest gegen eine solche Haltung ist nicht die Tabuisierung von Kritik, ist keine Opferrhetorik. Es ist erste Bürgerpflicht wenn man denn die Forderung „Wehret den Anfängen!“ ernst nimmt.

Denn es ist schon mehr als nur ein Anfang, wenn führende Bundespolitiker und mit ihnen eine ganze Partei die herrschenden antireligiösen Ressentiments im Land dafür missbrauchen, die verfassungswidrige Einschränkung der kollektiven Religionsfreiheit einer Minderheit zu legitimieren.

Wer sich für „Ehe für alle“ einsetzt und dabei das Grundrecht auf „Religionsfreiheit für alle“ in seiner kollektiven Dimension verleugnet, hat keine „kritische Meinung“, sondern eine verfassungsfeindliche Gesinnung. Eine solche Politik möchte keinen „demokratischen Diskurs“ führen, sondern missbraucht mediale Aufmerksamkeit für den eigenen politischen Erfolg. Eine solche politische Agenda ist nicht „unbequem“, sie ist der Ausdruck moralischer Doppelstandards.

Politische und mediale Doppelstandards

Wobei wir bei einem anderen Thema wären, das öffentlich kaum wahrgenommen wird. Und das streng betrachtet eigentlich kein anderes Thema ist. Es ist die Wiederholung des ursprünglichen Themas, nämlich der doppelten Standards bei der öffentlichen Diskussion über islamische Religionsgemeinschaften. Ihnen wird häufig vorgeworfen, politische Themen ihrer Herkunftsländer nach Deutschland zu tragen. Das sei illegitim und offenbare eine fehlende Loyalität zu Deutschland. Darin komme eine nur vorgeschobene aber in Wirklichkeit nicht überzeugend gelebte Annahme unserer demokratischen Werteordnung zum Ausdruck.

Gleichzeit gibt es eine kurdisch-alevitische Verbandsszene, die sich sehr gut in der Parteienlandschaft vernetzt hat, gar Funktionsträger in den Parteien installiert hat und mit ihrem intensiven Engagement im säkular-reformatorischen Komplex die Rolle der alternativen Vorbildmuslime einnimmt. Dass in Wirklichkeit ihre profiliertesten Akteure regelmäßig aus dieser aufgeklärt-demokratischen Rolle fallen, bleibt vielen verborgen – gerade weil es auch in der medialen Thematisierung dieser Szene doppelte Standards gibt (Stichwort: Familienfest).

Über die zutiefst patriarchalischen und tribalen Strukturen innerhalb der kurdischen oder alevitischen Gemeindewirklichkeit, muss an dieser Stelle keine Rede sein. Da mögen sich die parteipolitischen Verbündeten auf eine erkenntnisreiche Entdeckungsreise begeben, wenn sie es denn wagen, hinter die Kulissen der Selbstdarstellung zu blicken.

Auslandspolitik als Selbstverständnis

An dieser Stelle geht es um ein gewichtigeres Problem, weil es um eine öffentliche Angelegenheit geht: Die Identifikation der kurdisch-alevitischen Szene mit der deutschen Gesellschaft gilt als unumstößliche Gewissheit. Deshalb fällt vielen Betrachtern nicht auf, dass die in dieser Szene aktiven Verbände praktisch nur von Narrativen leben, die sich aus der Übertragung ausländischer Konflikte in die deutsche Gesellschaft speisen. Es gehört zum Selbstverständnis und zur Existenzberechtigung der AABF und der KGD, stets und bei jeder Gelegenheit auf ausländische Konflikte hinzuweisen und deren Übertragung in die deutsche Gesellschaft zu fördern.

Weder auf Landesebene, noch auf Bundesebene ist die verbandsübergreifende Mitarbeit der AABF oder der KGD von konstruktiven Impulsen für das hiesige Zusammenleben geprägt. Nirgends gibt es eine fruchtbare oder gar kooperative Bereitschaft zur Annäherung oder zum Austausch. Sobald auch nur ansatzweise so etwas wie gemeinsames Engagement für die deutsche Gesellschaft und das gedeihliche Zusammenleben hier in Deutschland angesprochen werden, kommt es zum reflexartigen Abspulen von Auslandsbezügen und Narrativen ausländischer Konflikte. Wie bei der Lorenzschen Graugans, die ein Ei ins Nest zurückrollt, welches schon längst entfernt wurde, werden die immer gleichen Reaktionsmuster wiederholt, ohne auf konkrete Bezüge des hiesigen Zusammenlebens einzugehen.

Fixed action pattern

Dabei fehlt den AABF und KGD-Vertretern der realistische Blick auf die islamischen Religionsgemeinschaften und ihre Vertreter, denen es selbst mit persönlicher Ansprache und Appell zu mehr Kooperation nicht gelingt, die eingeübten Reaktionsschemata zu durchbrechen. Die Anwesenheit von AABF-Vertretern an Konferenztischen zum Thema Islam ist nirgends von einer Kooperation getragen oder auf ein gemeinsam erarbeitetes Ergebnis hin ausgerichtet. Stattdessen ist Sinn und Funktion der Teilnahme auf ein repetitives Ceterum censio reduziert, das mit geringen Nuancen immer auf das gleiche Ergebnis hinausläuft, egal wie abwegig es für die konkrete Sachfrage oder das anstehende Diskussionsthema auch sein mag: „Ceterum censio Erdoğan esse delendam.“

Nach einer gewissen Zeit kann man diesem Verhalten sicher auch ein absurd-komödiantisches Moment abgewinnen. Wo der Spaß aber aufhört und auch die Doppelmoral der behördlichen Vertreter manifest wird, sind Verhaltensmuster und Aussagen, die ein eher flexibles Verhältnis zu unserer Rechtsordnung an den Tag legen.

Flexibles Verhältnis zur Rechtsordnung

Vor etwa einem Jahr hat die AABF zu einer Demonstration aufgerufen, die unter dem Motto „Kein Fußbreit den AKP-Faschisten“ stattfand. Andersdenkende und politische Gegner pauschal als Faschisten zu brandmarken, scheint zum wiederkehrenden Narrativ der AABF-KGD-Szene zu gehören. In der Logik dieser Szene gehören dann alle 900 DITIB Gemeinden ebenfalls zu dem Kreis des politischen Gegners, also zu den „Faschisten“, allein aufgrund der Tatsache, dass die Imame der DITIB Gemeinden türkische Staatsbedienstete sind. Dass es sich bei den Gemeinden und den Moscheebesuchern um Menschen ganz unterschiedlicher politischer Gesinnung und um unmittelbare Nachbarn im hiesigen Zusammenleben handelt, die nichts mit den politischen Entwicklungen in der Türkei zu tun haben, ist für AABF und KGD offensichtlich kein zulässiges Gegenargument und kein Anlass zur Mäßigung.

Gleichzeitig hat sich die AABF bei der zitierten Demonstration vor einem Jahr auf einem gemeinsamen Plakataufruf mit Organisationen solidarisiert, die dem PKK-nahen Spektrum zugeordnet werden. Also Organisationen, die der als Terrororganisation verbotenen PKK nahestehen und offen mit ihr sympathisieren. Das war bislang für keinen behördlichen Vertreter Anlass zur öffentlichen Positionierung oder Kommentierung dieser Verbindungen.

Immer wieder werden DITIB-Gemeinden aus diesem linksextremistischen Spektrum angegriffen, weil sie als Ersatzziele herhalten müssen. Brandanschläge und Schüsse auf Moscheegebäude, nur weil sie eine DITIB-Gemeinde beherbergen sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Auf dieses Problem und die Problematik der AABF-Solidarisierung mit kurdisch-extremistischen Kreisen ist wiederholt hingewiesen worden, ohne dass es eine öffentliche Reaktion der involvierten Behörden oder der AABF-Gesprächspartner gegeben hätte.

Gefährliche Sprache

Stattdessen hat die AABF ihre öffentlichen Stellungnahmen verschärft und ruft erst jüngst wieder Andersdenkende dazu auf, ihre Koffer zu packen.

Die AABF spricht damit Andersdenkenden und politischen Gegnern eine Daseinsberechtigung in Deutschland ab. Sie bedient sich hierbei des Narrativs der Verstellung und der Täuschung, das Muslimen aus dem rechtsextremistischen Spektrum immer wieder vorgehalten wird.

Am vergangenen Samstag gab es erneut eine Demonstration in Köln. Erneut hat sich die AABF mit Unterstützern der Demonstration solidarisiert, die dem kurdisch-extremistischen Spektrum zuzuordnen sind. In einem der Aufrufe dieser extremistischen Kreise ist von „bewaffnetem Widerstand“ die Rede. Weiter wird von Widerstand „auch hier in Deutschland“ gesprochen.

Es bleibt der Phantasie der Adressaten überlassen, ob auch dieser Widerstand bewaffnet sein soll. Jedenfalls ist von einem „kämpferischen“ Einsatz die Rede. Bemerkenswert ist, dass dieser Aufruf mittlerweile von der dortigen Internetseite entfernt wurde. Er liegt hier aber im Volltext vor, weil er gleichzeitig wohl als „Kampfansage“ an diverse DITIB-Gemeinden und Verbandsgruppen, wie etwa den DITIB Jugendverbänden, per Mail zugesandt wurde.

Solche gefährlichen Signale fallen auf fruchtbaren Boden. Kurz nach dem öffentlichen Aufruf zum „Widerstand auch hier in Deutschland“ wurde eine DITIB Moschee in Niedersachsen während der Gebetszeit von einer kurdisch-extremistischen Gruppierung belagert und das Gebäude mit Steinen beworfen.

AABF ohne Distanz zu extremistischen Gruppen

Die AABF hat sich im Vorfeld der Demonstration nicht von diesen Aufrufen oder Gruppierungen distanziert. Vielmehr hat sie es hingenommen, dass unter Verwendung der eigenen Demonstrationsaufrufe extremistische Gruppierungen zu der gleichen Demonstration mobilisieren. Im Internet kursieren Aufrufe, die Cem-Häuser, also religiöse Einrichtungen der Aleviten, als Treffpunkt und Abfahrtsort für Busfahrten zu der Kölner-Demonstration ausweisen.

Die tatsächliche Gestalt der Kölner Demonstration hat diese Solidarisierungslinie dann auch deutlich werden lassen. Das Publikum bestand – den Fahnen und Plakaten nach zu urteilen – überwiegend aus PKK-nahen Organisationen und deren Sympathisanten. Aleviten, die diese Nähe der AABF zu extremistischen Organisationen nicht hinnehmen wollten, haben die Veranstaltung verlassen oder sind ihr gleich ferngeblieben.

Kein Problembewusstsein

Auf Führungsebene der AABF und der KGD gibt es jedoch unverändert kein Problembewusstsein. Stattdessen flüchten sich beide Organisationen in halbherzige Distanzierungen und Bagatellisierungen der tatsächlichen Verhältnisse. So heißt es exemplarisch auf der Internetseite der KGD: „Unverständnis äussert Toprak (Anm.: Bundesvorsitzender der KGD) über die Scharmützel von einem kleinen Teil der Demonstranten mit der Polizei am Deutzer Bahnhof. Gewaltfreiheit und die friedlich demokratische politische Betätigung ist das oberste Prinzip unseres politischen Handelns. Dies gilt auch für die Teilnehmer der Demonstration in Köln. Wer dagegen verstößt, kann und muss mit einer Anzeige rechnen. Gleichzeitig muss aber die Polizei zielgerichtet und deeskalierend handeln. Bei aller Wut und Verzweiflung, Gewalt ist kein Mittel des politischen Kampfes und nutzt in dieser Situation allein nur dem Diktator Erdogan.“

Das ist eine euphemistische Sprache, die gegenüber Extremismus allenfalls nur „Unverständnis“ aufbringt und Angriffe auf Polizeibeamte als „Scharmützel“ bagatellisiert, ja fast schon den Beamten selbst vorwirft, sich eskalierend verhalten zu haben. Gewalt ist also nicht aus prinzipiellen Gründen abzulehnen, sondern nur weil es dem Gegner weniger schadet, als einem selbst.

Die gleiche Gesinnung legt die KGD auch bei anderen Anschlägen an den Tag. In einer älteren Stellungnahme auf der Internetseite der KGD heißt es, Gewalt schade „weniger denen die man zu bekämpfen versucht, sondern viel mehr der kurdischen Sache und den kurdischen Belangen.“ Und weiter heißt es – wohlgemerkt angesichts von Brandanschlägen –: „Solche Aktionen können in keinem Fall im Sinne des kurdischen Volkes sein und zeugen viel mehr von jugendlichem Leichtsinn und überheblicher Fehleinschätzung der politischen Möglichkeiten, die ein jeder hat.“ […] „Denn nicht die „türkischen Faschisten“, sondern die Kurdinnen und Kurden als Täter werden angeprangert.. Die negative Presse und die politischen Folgen muss das kurdische Volk tragen.“

Das ist keine ernstgemeinte Distanzierung von Gewalt. Das ist die Verharmlosung von extremistischen Anschlägen und eine nüchterne Abwägung des Kosten-Nutzen-Risikos bei der Anwendung von Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung.

Bagatellisierung von Gewalt als politisches Mittel

Ähnlich verhält sich die AABF. Für sie ist die Solidarisierung mit extremistischen Gruppierungen kein Grundsatzproblem. Es ist ihr nur lästig, darauf angesprochen zu werden. Unverändert ist für sie die Demonstration in Köln – in solidarischer Nähe zu einem PKK-nahen Publikum und in Kenntnis von Aufrufen zum „Widerstand auch hier in Deutschland“ – ein „wichtiges Zeichen“. Die tatsächlichen Verhältnisse im Vorfeld und während der Demonstration will sie nicht realistisch wahrnehmen. Stattdessen heißt es: „Empört war die Alevitische Gemeinde Deutschlands jedoch über Akteure, die versuchten die Kundgebung an sich zu reißen. Die Organisatoren der Alevitischen Gemeinde haben auf Grund des provozierenden Auftretens dieser Personengruppe daher im ständigen Austausch mit der Polizei gestanden und sind der Deeskalationsstrategie sowie Ratschlägen der Polizei gefolgt. Aus dieser besagten Personengruppe, die sich außerhalb des Rechtsraums bewegten und die Veranstaltung zweckentfremden wollten, kam es wiederholt zu einzelnen Handlungen, von denen wir uns distanzieren. Wir danken der Polizei Köln, dass sie den Sachverhalt entsprechend klargestellt hat.“

Auch das ist keine Distanzierung oder ein realistisches Problembewusstsein. Es handelt sich nicht um Provokationen oder einzelne Handlungen. Es ist eine originäre und von der AABF auch in der Vergangenheit gepflegte Nähe und Solidarität zu einem Publikum, das extremistisch gesinnt ist und zur Gewalt aufruft. Solange die AABF und die KGD dies nicht erkennen, keine deutliche und unmissverständliche Grenze zu extremistischen Gruppierungen ziehen, wenn sie nicht öffentlich deutlich machen, dass Moscheegemeinden – gerade auch die der DITIB – keine Ziele des „kämpferischen Widerstandes auch hier in Deutschland“ sein dürfen, solange bleibt ihre vermeintlich humanistische und demokratische Ausrichtung reines Lippenbekenntnis. Und solange senden sie konkludent weiterhin das Signal an ihre Basis, dass Angriffe auf Moscheegemeinden legitim sind, weil sie pauschal einem diffusen „türkisch-faschistischen“ Lager zugeordnet werden.

Gesellschaftliche Verantwortung nicht weiter ignorieren

Unser Ziel muss es sein, unser Zusammenleben hier in Deutschland gedeihlich zu gestalten und Konflikte auf friedlichem Weg zu schlichten. Kampfansagen gegen „Faschisten“ sind Ausdruck einer ideologischen Verblendung und der Verleugnung sehr heterogener Lebenswirklichkeiten, wie etwa der Tatsache, dass viele Kurden und Aleviten auch Besucher von Moscheegemeinden sind.

Sich hier als Nachbarn zu verstehen und gemeinsam das hiesige Zusammenleben friedlich zu gestalten muss als Beispiel für eine allseits förderliche Koexistenz begriffen werden, für das alle Seiten verantwortlich sind. Wir dürfen uns nicht in der Fortsetzung ausländischer Konflikte verlieren, mit denen wir weder die Situation in der Türkei verbessern, noch unsere Nachbarschaft hier in Deutschland festigen. Das haben AABF und KGD, die unvermindert Konflikte aus der Türkei nach Deutschland importieren, bislang nicht begriffen. Und die hiesige Politik macht keine Anstalten, ihnen dieses Problem begreiflich zu machen.

Die Verantwortung der SPD

Es ist ein offenes Geheimnis, dass gerade die AABF eine Historie aufweist, die in ideeller und auch ganz konkreter personeller Nähe zur NRW-SPD steht. Das mag auch der Grund dafür sein, dass es bislang aus einem SPD-geführten Innenministerium in NRW noch keine öffentliche Stellungnahme gibt, mit welcher die AABF oder die KGD zu mehr Neutralität oder Distanz aufgerufen werden.

Das mag auch der Grund dafür sein, warum es nicht thematisiert wird, dass zahlreiche kurdisch-alevitische Personen aus Deutschland in die Krisengebiete Syriens und des Iraks reisen, um sich dort am bewaffneten Kampf zu beteiligen. Darunter sind junge Menschen, die traumatisiert nach Deutschland zurückkehren und hier auf eine Verbandslandschaft treffen, die mit „kämpferischem Einsatz“ und mit „bewaffnetem Widerstand“ kokettiert und Feindbilder von „türkischen Faschisten“ zeichnet und Moscheegemeinden als deren „verlängerte Arme“ und „Unterstützer“ markiert.

Das AABF und KGD selbständig ein angemessenes Problembewusstsein entwickeln, darf man angesichts der Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht erwarten. Die Reaktionen werden sich in Aufrufen erschöpfen, sich von der Regierungspolitik in der Türkei zu distanzieren. Aber genau dort liegt das Problem: Für unser Zusammenleben hier in Deutschland darf die politische Situation in der Türkei nicht das entscheidende Kriterium sein. Wir haben hier vor Ort eine eigene originäre Verantwortung dafür, dass wir gewaltfrei, friedlich und gedeihlich zusammenleben. AABF und KGD werden das aus eigener Kraft wohl wieder nicht verstehen.

Umso größer ist die Verantwortung der Politik und hier explizit der NRW-SPD, dieses Problem endlich ernst zu nehmen und einen mäßigenden, demokratisierenden Einfluss auf die kurdisch-alevitischen Verbände auszuüben.

Schließlich handelt es sich bei der AABF um eine Organisation, die in NRW als Religionsgemeinschaft behandelt wird. Ganz ohne Gutachten darüber, ob sie mehr ist, als nur eine politische Interessenvertretung, ob sie rechtstreu agiert, ob sie dem in der Landesverfassung verankerten Gedanken der Völkerverständigung gemäß handelt und ob sich ihre problematische ideologisch-politische Verkrustung vielleicht in deutschen Klassenzimmern, nämlich im alevitischen Religionsunterricht, auswirkt.

Das alles muss öffentliches Thema werden, bevor wieder die nächste Moschee Ziel eines „bewaffneten Widerstandes“ wird.

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