(Verwendungshinweis: Dieser Beitrag enthält keinerlei Mordaufruf, Ermunterung zum Pfählen, Enthaupten, Vierteilen, Teeren oder Federn. Alle, die meinen das Gegenteil zu sehen, konsultieren besser einen Augenarzt, Deutschlehrer oder Apotheker ihres Vertrauens. Der Beitrag kann Spuren von Ironie, Chili und Erdnüssen enthalten. Islam- und DITIB-Allergiker lesen bitte nicht weiter!)
Die regelmäßigen Leserinnen und Leser dieses Blogs werden wissen, dass aktuell die Methoden der Islamkritik in vielen Beiträgen problematisiert werden. Dabei ist festzustellen, dass es ganz offensichtlich bereits erhebliche Fossilierungen der thematisierten Methoden auch innerhalb der Presselandschaft gibt. Den Höhepunkt – oder je nach Perspektive auch Tiefpunkt – dieser Entwicklung markiert der Beitrag Thomas Thiels in der FAZ online vom 16.08.2016. Es handelt sich dabei um ein so besonderes Prachtstück journalistischen Schaffens im Kontext der „Islamkritik“, dass ihm in einem späteren, gesonderten Blog-Beitrag größere Aufmerksamkeit gewidmet werden soll.
Viele der darin enthaltenen Formulierungen dokumentieren in exemplarischer Weise, in welche Rolle sich Teile der journalistischen Zunft im Zuge der Islam-Debatten begeben haben. Sie sind nicht mehr Moderator einer gesellschaftlichen Diskussion. Sie ordnen nicht mehr nur ein, sie stellen nicht nur gegenüber, sie kommentieren nicht mehr nur die Positionen der unterschiedlichen Lager. Vielmehr haben sie sich bereits einer Partei der Disputation angeschlossen und sekundieren und flankieren nach Kräften. Dabei stoßen sie auf die Grenzen presseethischer Arbeitsgrundsätze. Und in einigen Fällen gewinnt man den Eindruck, dass sie auch bereit dazu sind, diese Grenzen zu strapazieren, vielleicht sogar zu überschreiten.
Von Thomas Thiels Methoden scheint offensichtlich auch der ZEIT-Autor Hans Hütt inspiriert zu sein. Er kontaktierte mich auf Twitter, fragte, welche zuständigen Ermittlungsbehörden ich meine, denen der Ourghi-Vorgang nun vorgelegt worden sei. Ich antwortete „den zuständigen“ – in der Annahme, er müsse als kundiger Journalist wissen, welche das in Deutschland sind. Daraufhin schob er eine abwertende Kommentierung meines Textes zu den Orughi-Methoden hinterher und blockierte mich sofort, wohl offenkundig um Stellungnahmen zu seiner Bewertung zu unterbinden. Das ist eine, sagen wir es charmant, Nachlässigkeit in Fragen der journalistischen Sorgfalt, die deutlich auf eine emotionale Involvierung und parteiische Positionierung im Diskurs hindeutet.
Nun schließt sich Christoph Cuntz mit Beiträgen in der Printausgabe der Rhein Main Presse / Allgemeine Zeitung Mainz vom 17.08.2016 diesem Phänomen journalistischen Sittenverfalls an. Er beschreibt meine Kritik an den Ourghi-Methoden als „Angriff“ und macht den Angriffs-Charakter an der Formulierung „Import-Experte“ fest. Genau unter diesen Begriff in der Überschrift eines seiner Beiträge platziert er die „Info-Box“ mit der Überschrift „Terrorismus“, in welcher die aktuellen Diskussionen im Deutsch-Türkischen Verhältnis, ausgelöst von vertraulichen Dokumenten des BMI, angerissen werden.
Die Intention ist klar: er nimmt die Suggestion in Kauf – oder beabsichtigt sie gar –, meine Kritik an den Methoden Ourghis seien eben jene Auswirkungen einer „Aktionsplattform für islamistischen Terrorismus“. Weil als DITIB-Mann bin ich seiner Vorstellung nach ja vermutlich das verlängerte Ohrläppchen Erdogans. So gelingt es ihm auch, meine Stellungnahme zu seinen Mail-Anfragen so verkürzt wiederzugeben, dass die Kernaussagen unter den Tisch fallen. Ich schrieb ihm, auf seine Frage, ob mein Text eine Todes-Fatwa sei:
„Sehr geehrter Herr Cuntz,
wenn Sie meine Blogbeiträge aufmerksam lesen, erschließt sich Ihnen die Antwort auf diese Frage von selbst. In jedem meiner Beiträge weise ich auf die Hoheit des Rechts hin, auf die Verbindlichkeit unserer Rechtsordnung für alle, die in Deutschland leben, Muslime und Nicht-Muslime. Ich bin Rechtsanwalt und damit Organ der Rechtspflege. Ich bin auf diese Rechtsordnung vereidigt. Keinem meiner Texte werden Sie irgendeine Andeutung der Ausgrenzung oder des Rechtsbruchs entnehmen können. Weil diese Haltung keine Lippenbekenntnisse sind, sondern meine Grundüberzeugung.
Ich bin religiös in einer DITIB Gemeinde sozialisiert. Wir sind geprägt durch die hanefitische und maturidische Tradition. Uns ist die Ausgrenzung anderer Muslime als „Abtrünnige“ fremd, wir lehnen ein solches Verhalten konsequent ab. Wer die DITIB wirklich kennt, wer die türkisch-muslimische Auslegung des Islam wirklich kennt, kann niemals zu dem Schluss kommen, mein Text würde eine solche Ausgrenzung auch nur andeuten. Deshalb muss Ourghi auch unterstellt werden, dass er diesen Vorwurf mir gegenüber wider besseren Wissens erhebt – er ist schließlich Islamwissenschaftler und müsste diese Hintergründe kennen.
Selbst ohne Kenntnis dieser Hintergründe ist für jeden unvoreingenommenen Leser erkennbar, dass ich mit der Vermutung hinsichtlich einer ibaditischen Motivation der Verbandskritik überhaupt keine Wertaussage zum Ibaditentum treffe. Ich weise lediglich darauf hin, dass eine solche Motivation die unsachliche und pauschale und beleglose Islamkritik Ourgischer Art erklären würde.
Der Vorwurf Ourghis mir gegenüber ist ein Lehrstück über die Methoden der „Islamkritik“, wie sie seit über 10 Jahren betrieben wird. Pauschale Diffamierung der islamischen Verbände als gefährlich und radikal durch konstruierte und unbewiesene Behauptungen. Ich habe mehrere solcher Beispiele in dem Blogbeitrag zitiert. Auf keinen geht er ein. Stattdessen wendet er diese Methode nun auf mich an und erhebt die gleichen pauschalen, konstruierten Beschuldigungen, ich würde zum Mord aufrufen.
Dass nach dem FOCUS nun auch die FAZ dieser Methode Raum gibt und ihr auch noch sekundiert, ist presseethisch ein Armutszeugnis.
Mit freundlichen Grüßen
Murat Kayman“
Ähnlich arbeitet Cuntz auch bei seinen weiteren Beiträgen vom 17.08.2016. Er kontaktierte meinen Kollegen im DITIB Landesverband Hessen. Die Mail-Korrespondenz der beiden liegt mir vor. Die Aussagen hat er sich in der Zusammenfassung der Zitate noch einmal autorisieren lassen. Er bringt diese Zitate aber derart gekürzt und so angeordnet, dass sie teilweise sinnverfremdend oder sinnentstellend wirken.
Nun könnte man verschwörungstheoretisch schlussfolgern, Journalisten mit identischen Initialen im Vor- und Nachnamen – T.homas T.hiel, H.ans H.ütt, C.hristoph C.untz – hätten ein problematisches Verhältnis zur Presseethik. Oder wie es Ian Fleming einmal gesagt hat: „Once is happenstance. Twice is coincidence. Three times is enemy action.” (Bevor jetzt jemand auf die Idee kommt, ich hätte mit dem Wort “enemy” zur Ermordung der drei Journalisten ermuntert, wandeln wir das Zitat ab und sprechen von einem „Muster“.)
Ja, das sind die Muster der journalistischen Flankierung der „Islamkritik“. Diese Methoden muss man, wie auch jene der „Islamkritik“ selbst, methodisch und systematisch ins Licht der Öffentlichkeit zerren. Ich nenne es die Dracula-Methode. Im dunklen Feld der persönlichen Mailkorrespondenz, der Hintergrundgespräche und Telefonanrufe bleiben diese Methoden und ihre Systematik verborgen. In diesem diffusen Halbdunkel gedeiht die Unterstützung für eine tendenziöse und maliziöse Disqualifizierung islamischer Religionsgemeinschaften.
Man muss diese Methoden und ihre Protagonisten ins grelle Licht der Öffentlichkeit zerren, für maximale Ausleuchtung und Transparenz sorgen, damit diese Praktik zerfällt und sich auflöst. Thomas Thiel rotiert jetzt vermutlich wegen dieser literarischen Referenzen, erst Ian Fleming, jetzt Bram Stoker – und das auch noch von einem Türken, von einem Muslim! Lesen die denn tatsächlich mehr, als nur den Koran und die Hürriyet? – auf seinem Bürostuhl.
Aber genau darum geht es. Meine deutliche, offensive, scharfe, harte, bissige Kritik an den Methoden der „Islamkritik“ wird von diesen Journalisten abfällig als „Zurückkeilen“, als „Angriff“ und „Aggressivität“ beschrieben und kriminalisiert. Es wird suggeriert, auch diese Haltung sei fremdgesteuert, vom Ausland initiiert und souffliert. Offenbar kann man sich nicht vorstellen, dass Muslime selbstbestimmt, autonom denken und handeln. Selbst einige Personen innerhalb der muslimischen Community sind der Auffassung, man dürfe nicht so viele Personen gleichzeitig verärgern, man müsse sich zurücknehmen, man dürfe nicht so wütend agieren. Mit Verlaub, das ist aus beiden Richtungen zu tiefst migrantisches Denken. Die Medien – und gewiss auch die Politik – sind es viel zu lange gewohnt, dass Muslime von Akteuren vertreten werden, die tatsächlich nach Deutschland eingewandert sind.
Die – um einmal über die großen etablierten Religionsgemeinschaften der türkischstämmigen Muslime zu reden – mit einem Bein und halbem Kopf in der Türkei leben, die für ihre berufliche Karriere in die Türkei blicken, die ihren Lebensabend im Heimatort in der Türkei planen. Die vielleicht auch deshalb während ihrer Zeit hier in Deutschland lieber zurückhaltend, vornehm, stets lächelnd und niemanden verärgernd auftreten, bei allen beliebt sein und gemocht werden wollen. Von denen man eine Haltung der Dankbarkeit und Genügsamkeit erwartet. Die manchmal gar nicht bemerken, dass man ihnen gerade etwas um die Ohren geschlagen hat und die, selbst wenn sie es merken, sich zurückhalten und dies als schicksalhaft begreifen.
Aber ich bin nicht eingewandert. Ich bin Eingeborener. Ich nehme nicht den Platz ein, den man mir zuweist. Ich schlucke nicht still runter, wenn man mir einschenkt. Ich fordere meinen gleichberechtigten Platz in dieser Gesellschaft ein. Und ich fordere – wie jeder Bürger – den gleichen Respekt ein, der mir und den Institutionen, die Muslime in diesem Land unter widrigsten Bedingungen aufgebaut haben, gebührt.
Ich wehre mich. Und das erst recht, wenn man meine Leistungen mit dem Siegel „importiert“, „fremdgesteuert“ und „gefährlich“ als Mängelware abstempelt und sich dabei importierter „Experten“ bedient, die meine Gemeinschaft nicht kennen, ihre Leistung nicht nachvollziehen können und aus der Ferne meinen, in der Rolle des Kronzeugen der Anklage verächtlich ausspucken zu können und sich gewiss sind, die befreundeten Journalisten werden das der Öffentlichkeit schon als besorgtes Räuspern verkaufen.
Diese Zeiten sind vorbei. In den Gemeinschaften und in allen anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens übernehmen immer mehr Menschen wichtige Funktionen, die hier geboren und aufgewachsen sind. Deren Heimat Deutschland ist. Und die nicht gewillt sind, dass man sie in ihrer eigenen Heimat mit absurden Vorwürfen und Instrumenten der Kriminalisierung und Skandalisierung an den Rand dieser Gesellschaft drängt.
Sie werden sich immer lauter und immer deutlicher zu Wort melden, widersprechen, protestieren und diese Methoden eines exkludierenden, herrschaftlichen Diskurses anprangern. Das ist nicht Islamisierung. Das ist nicht fremdländische Unterwanderung. Das ist gleichberechtigte Beheimatung von Muslimen in Deutschland. Das ist der deutsche Islam.
Und die Presse muss eines ganz schnell und vollständig begreifen: Sie ist das Nadelöhr durch das muslimisches Leben in Deutschland sich zwängen muss, um hier als normal, als natürlich, als selbstverständlich existieren zu können. Diese Art des Kampagnenjournalismus ist der Grund, warum in den Regionen Deutschlands die Ablehnung gegen Muslime am größten ist, in denen am wenigsten Muslime leben. Sie ist der Grund, warum jedes Jahr immer mehr Moscheen angegriffen werden.
Wir, die muslimischen Deutschen, werden diese transsilvanische Gruft der miefigen Abschottung gesellschaftlicher Diskurse aufbrechen, wir werden ihre unredlichen Methoden ins Licht der Öffentlichkeit schleifen. Und vergesst nicht: Das Kochen haben wir von türkischen und arabischen Muttis gelernt – das heißt, wir haben genug Knoblauch mitgebracht.