„Ein Deutscher (Muslim), ist ein Mensch, der keine Lüge aussprechen kann, ohne sie selbst zu glauben.“
Lässt man den Blick schweifen und betrachtet die muslimische Community außerhalb der Verbände, kann man die innerverbandlichen Zustände geradezu als harmonisch und die dortigen diskursiven Verhältnisse als moderat bezeichnen. Denn die Konfliktlinien in der „muslimischen Szene“ außerhalb der Verbände und der Umgang der nichtmuslimischen Öffentlichkeit mit dem Thema Islam sind von derart schriller Rhetorik geprägt, dass man sich fast schon fragen muss, ob die dort vorgetragenen gedanklichen Luxationen noch die Grenzen der Rationalität und der guten Sitten einhalten.
Dabei haben die diskursiven Entgleisungen durch fortwährende Steigerung in den letzten Jahren einen erschreckenden Grad erreicht. Als Gesamtgesellschaft ist uns das Gespür für Tabus im Umgang mit religiösen Minderheiten – vielleicht auch nur mit den Muslimen – abhandengekommen. Selbst bei einem Akif Pirinçci, der sich unter anhaltendem öffentlichem Applaus in Rumpelstilzchenmanier an einem Wörterbuch der antimuslimischen Vulgarität abarbeitet, wird die Tabuzone erst erreicht, wenn der Begriff KZ fällt. Das scheint die gedankliche Grenze zu sein, die noch hält. Diesseits davon gilt jede noch so grobe Unflätigkeit, jede noch so unerträgliche Stigmatisierung von Muslimen als legitimer kritischer Beitrag in der Islamdebatte. Dieser Eskalation der Sprache muss die Eskalation der antimuslimischen Tat folgen. Dennoch wird diese Entwicklung mit fataler Naivität, die mitunter schon einem bedingten Vorsatz nahekommt, ignoriert. Die Konsequenz sind wachsende Zahlen bei Moscheeübergriffen und Anschlägen gegen Flüchtlingsunterkünfte. Führt man sich die entsprechenden Ereignisse der frühen 90er Jahre vor Augen, muss man konsterniert feststellen: Die Politik und die Medien haben nichts, aber auch rein gar nichts dazu gelernt.