Seit meinem letzten Text Ende des vergangenen Jahres – geschrieben unter dem Eindruck der furchtbaren Morde des 7.10. – hatte ich immer wieder den Impuls, auf Äußerungen zu reagieren, die aus der muslimischen Landschaft in Deutschland formuliert worden sind. Ich habe mich monatelang zurückgehalten, weil ich auch jenen, die ich für ihre Positionen kritisieren will, einräume, in einer gesellschaftlichen Atmosphäre zu schreiben und zu reden, die nicht dabei hilft, emotional unbeeindruckt zu bleiben und einen klaren Blick zu behalten.
Lieber Bülent, …
Lieber Bülent,
ich bin der ältere von uns beiden, deshalb biete ich Dir das Du an. Als Zeichen meiner guten Absichten und der Hoffnung, dass wir einem großen muslimischen Publikum hier einmal exemplarisch vorleben können, wie eine in der Sache auch harte Auseinandersetzung im Ton sachlich bleiben kann. Und dass Meinungsverschiedenheiten nicht in Anfeindungen ausarten müssen.
„Das ist leider zu einer Identitätsfrage geworden“
Mein Interview mit dem Tagesspiegel:
Judenhass sei heute geradezu Bedingung, um als Muslim akzeptiert zu werden, sagt Murat Kayman. Der Jurist über Sprachcodes, halbgare Statements und Stigmatisierungen.
Die Zukunft der Muslime in Deutschland
Eines der schönsten Zitate der islamischen Mystik beschreibt die Schwierigkeit zwischen Sein und Schein. „Erscheine so, wie Du bist. Oder sei so, wie Du erscheinst!“
Ich sehe darin weniger die Anprangerung von Heuchelei oder Unaufrichtigkeit, sondern vielmehr den Hinweis auf eine Lebenswirklichkeit, die uns vielleicht deutlicher bewusst wird, je länger wir leben und je häufiger wir inneren Widersprüchen, Veränderungen, äußeren Herausforderungen und wechselnden Erwartungen ausgesetzt sind. Es ist nicht immer leicht, nach außen so zu handeln und zu reden, wie man
es im Inneren empfindet.
Religion und Rechtspopulismus
(Anm.: Eine längere Fassung dieses Textes erscheint ab dem 20.09.2023 in der Reihe „Theologisches Forum Christentum – Islam“ im Friedrich Pustet Verlag) Rechtspopulistische Bewegungen und Parteien prägen die gegenwärtige politische Landschaft in Europa. Es gibt kaum ein europäisches Land, in…
Fragen an die universitäre Islamische Theologie in Deutschland
(Anm.: Die Erstveröffentlichung dieses Textes erfolgte hier in der aktuellen „Frankfurter Zeitschrift für islamisch-theologische Studien“, im EB-Verlag Berlin)
Wer heute Islamische Theologie studieren möchte, hat die Auswahl unter den universitären Standorten in Erlangen-Nürnberg, Frankfurt/Gießen, Münster, Osnabrück, Tübingen, Berlin und Paderborn. Daneben gibt es in Baden-Württemberg an den Pädagogischen Hochschulen in Freiburg, Ludwigsburg, Karlsruhe und Weingarten die Möglichkeit, das Fach Islamische Theologie/Religionspädagogik mit dem Ziel der späteren Lehrtätigkeit im islamischen Religionsunterricht an Schulen zu belegen. Der Weg für dieses akademische Angebot wurde 2010 mit den Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Weiterentwicklung von Theologie und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen eröffnet. In diesen Empfehlungen heißt es einleitend: “Das Verfassungsrecht lässt hinreichende Spielräume für eine auch den Anforderungen der Wissenschaft angemessene Ausgestaltung des Verhältnisses des Staates zu Kirchen und religiösen Gemeinschaften im akademischen Feld, wenn auf allen Seiten die Bereitschaft besteht, die institutionellen Instrumente für seine Anwendung entsprechend weiterzuentwickeln.”
Kann man eine Moschee auf Misstrauen errichten?
Die Wuppertaler Ditib Gemeinde plant den Neubau einer Moschee. Das dafür vorgesehene Grundstück – gegenüber dem bisherigen Standort der Moschee – beherbergt ein Alternatives Zentrum, das dem Bauvorhaben weichen soll. Dem mit etwa 30 Millionen Euro veranschlagten Bauprojekt erteilte jüngst…
Das wirklich wahre Interview
Lennart Pfahler von der WELT hat kürzlich ein Interview mit Ali Mete, dem amtierenden Generalsekretär der IGMG geführt. Die Antworten Metes stehen für alles, was man an den muslimischen Verbänden kritisieren muss. Jeder Zeile von Metes Antworten kann man ansehen, dass sie im Bewusstsein dessen formuliert wurden, was Mete für sozial erwünscht hält. Das Problem, das Mete dabei hat und das durch die Zeilen des Interviews brüllend zu Tage tritt: Es gibt zwei soziale Öffentlichkeiten, deren Wünsche Mete erfüllen will. Er weiß, dass seine Mitglieder andere Antworten lesen wollen als die nicht muslimische deutsche Öffentlichkeit.
Wie heißt Du?
Noch ziehen die Rauchschwaden der Silvesternacht durch unsere Debatten. Die Augen brennen noch, die Ohren klingen nach, der Lärm und das Chaos beherrschen den öffentlichen Diskursraum. Dort, wo das Instinktive zum Vorschein kommt und jeden klaren Gedanken überdeckt, fallen wir zurück in eingeübte Rollen. Die empörten Lager bilden sich rasch entlang der ausgetretenen Pfade: Das rechte politische Lager fragt nach Vornamen. Das linke politische Lager denkt in Vornamen.
Keine Zukunft ohne Versöhnung, keine Versöhnung ohne Wahrheit – Gedanken zum 9. November
„Geht es wirklich um Versöhnung?“ Mit dieser Frage beginnt Mehmet Daimagüler seinen aktuellen Gastbeitrag zum Tode Mevlüde Gençs im SPIEGEL. Am Ende des Textes hat man das Gefühl, dass es eine unbeantwortete Frage bleibt. Daimagüler schreibt über das Engagement Mevlüde Gençs, die beim Brandanschlag von Solingen im Mai 1993 fünf Familienmitglieder verliert. Er würdigt ihren Einsatz gegen Hass. Aber Versöhnung? Dieses Wort, das häufig in Verbindung mit dem Wirken Mevlüde Gençs zitiert wurde, stellt Daimagüler gleich zu Beginn seines Textes in Zweifel. Er schreibt: „Je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr Zweifel habe ich bei dieser Wortwahl. Setzt Versöhnung nicht einen Konflikt zwischen mindestens zwei Seiten voraus? Suggeriert er nicht, dass hier die Opfer und die Täter, dass alle Seiten gleichermaßen Beteiligte eines Konflikts sind – und damit moralisch gleich zu werten sind?“