In einem aktuellen Freitagswort (www.freitagsworte.de) habe ich versucht zu analysieren, warum die muslimischen Verbände in Deutschland weitestgehend zu den Entwicklungen in Afghanistan schweigen. Dabei habe ich darauf hingewiesen, dass die schnelle und vehemente Distanzierung – zum Beispiel bei extremistischen Anschlägen durch Muslime – im Falle der Machtübernahme der Taliban in Kabul unterblieben ist.
Meine Erklärung dieses Schweigens thematisiert die ideelle Nähe insbesondere der türkeistämmigen Verbände zu den theologischen Überzeugungen der Taliban. Dieser Hinweis ist in ersten Reaktionen junger Muslime energisch zurückgewiesen worden. Lassen wir die üblichen persönlichen Entgleisungen mir gegenüber unbeachtet, ist der sachliche Kern dieses Abwehrreflexes kaum nachzuvollziehen.
Jungen Muslimen scheint die Vorstellung, sie würden im Grunde den gleichen Glaubensüberzeugungen folgen wie die Taliban, offenbar unerträglich. Das ist im Grunde auch gut so. Allerdings deutet diese Abwehrhaltung eher auf eine ästhetische Dissonanz hin – man will nicht so menschenverachtend, so skrupellos und unkultiviert erscheinen wie die Taliban. Denn inhaltlich lässt sich diese Zurückweisung nicht begründen.