Monthly archives of “Mai 2018

Auchdeutsch

Gestern jährte sich der Anschlag von Solingen zum 25. Mal. Die Gedenkveranstaltungen fanden vor Ort in Solingen und in der Düsseldorfer Staatskanzlei statt. Sie wurden durch zahlreiche Kommentare in der Presse und in den sozialen Medien begleitet. Das Meinungsbild, die Reaktionen auf dieses Ereignis und das Gedenken an die Opfer des Anschlages waren geprägt von zwei Details: Es hat 25 Jahre gebraucht, bis höchste Vertreter der Bunderegierung durch ihre Anwesenheit und ihre tröstenden Worte Beistand und Anteilnahme mit den Hinterbliebenen zum Ausdruck bringen konnten. Und seit 25 Jahren ist es Mevlüde Genç, die durch ihre Weigerung, die Verantwortung für ihren Schmerz der deutschen Gesellschaft als Ganzes zuzuweisen, mit einfachen Worten eine eindrucksvolle Sprache der Versöhnung und des Zusammenhalts findet. Sie ist damit auch ein Beispiel dafür, dass nicht entscheidend ist, wie wir aussehen und in welcher Sprache wir sprechen, sondern wie wir denken und was wir sagen.

Ramadan kein alter deutscher Brauch – und Demokratie?

Ein Auszug aus meinem letzten Blogbeitrag: „Erst kürzlich schrieb mein Freund Eren Güvercin im Feuilleton des Deutschlandfunk Kultur über Ramadan „als alten deutschen Brauch“ – natürlich eine bewusst überspitzte Formulierung. Die Reaktionen darauf waren vorhersehbar und sind exemplarisch. Die große Entrüstung über diese Formulierung kommt von jenen, für die Muslime mit ihren Bräuchen nie wirklich „Deutsche“ sein oder werden können. Sie waren es in der Vergangenheit nicht und sie sollen es auch in der Zukunft nicht sein können.

Eigentore und Brötchenschlangen

Was sind wir doch für eine überreizte Gesellschaft geworden. Jedes Ereignis, jeder öffentlich ausgesprochene Satz, jedes Bild löst mittlerweile Eruptionen der Empörung aus, führt zur sofortigen Gegenrede, die dann ebenso plakativ und grobschlächtig auf die empfunden oder tatsächlich plakative und grobschlächtige Provokation eindrischt. Wir nehmen uns weder Zeit, den Gegenstand unserer Empörung näher zu betrachten, noch unternehmen wir den Versuch, ihn auf seine Bedeutungs- und Wirkungsebenen hin zu durchleuchten. Damit bleiben wir sprunghaft, reagieren auf öffentliche Diskurse nur noch reflexartig, statt uns um Differenzierung und kritische Analyse zu bemühen.

Versuchen wir das Gegenteil. Versuchen wir, einen differenzierten Blick auf die Ereignisse der letzten Tage zu werfen: