Offene Moscheen, jeden Tag

Egal wie die Bundestagswahl in knapp zwei Wochen ausgeht: Für die (türkisch)-muslimische Gemeinschaft in Deutschland wird danach nichts mehr, wie es war. Zu deutlich sind die Risse und Brüche der jüngeren Vergangenheit. Sie sind Zeichen einer Spannung, die sich zwischen dem statischen Selbstverständnis etablierter Akteure und der alltäglichen, dynamischen, beweglichen, agilen Wirklichkeit einer in Deutschland beheimateten muslimischen Selbstwahrnehmung immer wieder aufbaut und entlädt. Der politische Diskurs wird von diesem Spannungsverhältnis nicht unberührt bleiben.

Als ich 2014 neu in Köln ankam und die Akteure der muslimischen Verbandslandschaft persönlich in Aktion erleben konnte, zeichnete sich bereits ab, entlang welcher Linien diese Bruchstellen muslimischer Selbstverortung verlaufen. Ich traf auf einen damaligen Verbandsvertreter, der in einer Veranstaltung mit verschiedensten muslimischen Vertretern auf die Frage nach der Zukunft der Muslime in Deutschland schulterzuckend entgegnete, er sehe viele Entwicklungen sehr negativ. Aber am Ende sei ihm das auch egal. Seine Heimat sei die Türkei. Er lebe mit einem Bein in der Türkei und mit der Zukunftsperspektive, irgendwann seinen Lebensabend auch in der Türkei zu verbringen. Was hier in Deutschland passiere, sei dann nicht mehr sein Problem. Tatsächlich ist diese Haltung kein Einzelfall. Dieser Typus des muslimischen Verbandsvertreters ist vielmehr die Regel.

Trinken Identitäre eigentlich Cappuccino?

Der deutsch-türkische Diskurs leidet darunter, dass seine Akteure aneinander vorbeireden. Das geschieht nicht nur versehentlich oder aufgrund kommunikativen Unvermögens. Zuweilen ist zu beobachten, dass die Kommunikation in der einen oder anderen Sprache jeweils dazu dient, unterschiedlich akzentuierte Botschaften in die deutschsprachige oder eben türkischsprachige Gesellschaft zu tragen.

Es findet also selten eine offene Debatte über die jeweils kommunizierten Botschaften statt, bei der die Adressaten durch Gegenrede zur Schärfung und Präzisierung des Diskurses beitragen könnten. Ziel einer solchen Einbahnstraßen-Kommunikation ist es gerade, Gegenverkehr zu vermeiden und einseitig die eigene Botschaft an den Mann oder die Frau zu bringen. Das ist dann aber keine Debatte, sondern ein Selbstgespräch durch dessen repetitiven Charakter der Geltungsanspruch der eigenen unhinterfragten Position untermauert werden soll.

In diesem Blogbeitrag wollen wir versuchen, diese Mauer der einseitigen Vermittlung von Botschaften zu überwinden und tatsächlich so etwas wie einen Diskurs zu ermöglichen. Die im weiteren Verlauf des Beitrages angesprochenen Personen sind hiermit ausdrücklich eingeladen, den Disput gern auch auf dieser Plattform fortzusetzen.

Die türkische Seele 2023

Trotz über 50 Jahren gemeinsamen gesellschaftlichen Miteinanders bleibt die Kommunikation in deutsch-türkischen Beziehungen gestört. Unvollständige Kenntnis über Motivation und kommunikationspsychologische Hintergründe der Beteiligten tragen zu weiterer Verwirrung bei. Ein kleiner, sicher unvollständiger Einblick in diese Hintergründe soll als Hilfestellung für die zukünftige Kommunikation dienen.

Die türkische Kultur ist „ataerkil“. Sie ist altväterlich, patriarchalisch. Ihre Wurzeln liegen in der Tradition und in den Erfahrungen nomadisierender Völker. Die Ursprünge reichen bis in zentral- und ostasiatische Territorien zurück. Damit einhergehend standen die historischen türkischen Stammesgemeinschaften unter einem langandauernden Verdrängungsdruck benachbarter Völker des asiatischen Raumes. Die Erfahrung von Ansiedlung, Vertreibung, Flucht und Neuansiedlung ist damit eine historisch prägende Erfahrung, die ihre Wirkung über Generationen hinweg bis in die Gegenwart aufrechterhält.

Strategische Partner

In der „WELT“ veröffentlichte jüngst Ahmad Mansour einen „Zehn-Punkte-Plan gegen den Islamismus“. Der Beitrag wurde unter der Rubrik „Debatte“ veröffentlicht. Gut, debattieren wir. Einige der angesprochenen Punkte und Vorschläge sind mir sympathisch. Sensibilisierung von Pädagogen, Eltern, staatlichen Institutionen, die Professionalisierung…

„Never forget Srebrenica!“?

Heute ist der 11.07.2017. Es ist der Gedenktag an das Massaker von Srebrenica, das vor 22 Jahren verübt wurde. Auch dieses Jahr wurden auf dem Friedhof von Potocari, dem Ort der Gedenkstätte an dieses Verbrechen, Opfer beerdigt, deren Identität erst jetzt festgestellt werden konnte. Noch immer werden Opfer offiziell „vermisst“, sind die Identitäten von vielen in Massengräbern entdeckten Opfern ungeklärt.

Aslangate

Das Wiener Stadtmagazin „Der Falter“ berichtet jüngst über einen Skandal, der die politische und universitäre Landschaft Österreichs erschüttert. Die Vorgänge sind derart ungeheuerlich und in ihrer Rezeption auch in der deutschen universitären Szene so abenteuerlich, dass an dieser Stelle auch ein Wort aus deutscher Perspektive zu den Vorgängen erforderlich ist.

Der Falter hat offengelegt, dass eine Studie des Wiener Religionspädagogen Ednan Aslan im Korrekturmodus des elektronischen Dokuments massive inhaltliche Änderungen aufweist, die auf eine gezielte Veränderung der Studie durch hohe Beamte des österreichischen Außen- und Integrationsministeriums hindeuten. Verantwortlicher Minister ist Sebastian Kurz.

Aufatmen – Ein notwendiger Abschied

Selbstkritische Reflexion ist eine der Aufgaben im Ramadan. In dem letzten Freitagswort zum Ende des Ramadan fragen die Autoren: „Wie viele segensreiche Taten haben wir vollbracht, damit die Gesellschaft, in der wir leben, eine bessere und glücklichere ist, als sie es zum Beginn des Ramadan war?“

Diesen Maßstab will ich im Zuge einer ganz persönlichen Ramadan-Bilanz auch an meine Texte auf diesem Blog anlegen. Als ich mit den Veröffentlichungen begann, sollte dieser Blog auch ein Sprachrohr für die Frustration in weiten Teilen der muslimischen Gemeinschaft – insbesondere unter jungen Muslimen – sein. Er sollte eine Plattform sein, auf der sich die Gefühle und Stimmen junger Muslime, denen ich im Laufe der verbandlichen Jugendarbeit begegnet bin und die sich über Ausgrenzung und Stigmatisierung beklagten, einen Weg in die Öffentlichkeit bahnen.

Onkel-Tom-Türken und die neue German Angst

Durchatmen. Anschläge, Wutreden, Demonstrationsaufrufe, demonstrative Absagen, Erwartungen, Enttäuschungen, Schönfärber, Schlechtmacher, Moschee mit beschränkter Haftung, Politik mit verschränkter Drohung, Boulevard mit schräger Haltung. Dabei fasten und versuchen, den Verstand nicht zu verlieren. Anstrengende Tage. Erstmal durchatmen.

Die Ereignisse der letzten Tage bieten viele Möglichkeiten, durch akkurate Analyse und offene Debatte die Zukunft unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens positiv zu beeinflussen. Die Erfahrung lehrt, dass diese Möglichkeiten ungenutzt verstreichen werden. Dieser Text will ein kleines Aufbäumen gegen diese Erfahrung sein. Zu diesem Zweck soll angerissen werden, wo und wie wir uns selbst häufig im Weg stehen – in der Hoffnung, dass sich daraus konstruktive Debatten ergeben.

Nicht mit uns?

Man muss Lamya Kaddor dankbar sein. Ihre Initiative für eine Großdemonstration in Köln hat – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – viele Probleme sichtbar werden lassen. In ihren eigenen Reihen, in den Reihen ihrer Unterstützer und bei allen, die dem Aufruf ablehnend gegenüberstanden.

Den guten Willen, ein Zeichen gegen Gewalt und für eine geeinte Gesellschaft setzen zu wollen, darf man niemandem absprechen. Dieser gute Vorsatz sei allen unterstellt, die sich an der Initiative und den Diskussionen darüber beteiligt haben.

Gleichwohl hat das Scheinwerferlicht dieser Aktion viele Ecken ausgeleuchtet, die sonst eher im Dunkeln bleiben. Diese kurzen Momente des Sichtbarwerdens von Verwerfungen der „Islamdebatte“ gilt es, in diesem Beitrag zu besprechen.