Die Wuppertaler Ditib Gemeinde plant den Neubau einer Moschee. Das dafür vorgesehene Grundstück – gegenüber dem bisherigen Standort der Moschee – beherbergt ein Alternatives Zentrum, das dem Bauvorhaben weichen soll. Dem mit etwa 30 Millionen Euro veranschlagten Bauprojekt erteilte jüngst der Wuppertaler Stadtrat seine Zustimmung. Verantwortliche der Stadt betonen, man habe „ein vertrauensvolles Verhältnis“ zur Ditib-Gemeinde. Vertreter der Ditib Gemeinde sind der Auffassung, die Gegner des Bauvorhabens seien durch „ideologische Dinge“ motiviert, die Gemeinde sei „unabhängig von der Türkei“. Die notwendigen Mittel werde die Gemeinde durch Spenden und „über Betriebsmodelle“ akquirieren.
Ich habe die Debatten über dieses geplante Neubauprojekt aufmerksam verfolgt. Lange habe ich mich öffentlich nicht dazu geäußert. Mir ist bewusst, dass ich Mitglied einer Glaubensgemeinschaft in Deutschland bin, deren Diskurskultur unter – sagen wir es diplomatisch – nachhaltigen Verspannungen leidet. Mir ist bewusst, dass meine Texte auch von MuslimInnen gelesen werden, die jede Kritik an einem Moscheeneubau als Beleg für einen Glaubensabfall zitieren werden. Und genau das ist ein gewichtiger Teil unserer innermuslimischen Probleme: Wir sind kollektiv dazu bereit, Lügen und Betrug im Kontext eines Moscheebaus zu dulden und folgenlos hinzunehmen, solange nur die Moschee errichtet wird. Im Gegenzug gilt jede Ermahnung zur Wahrheit und Aufrichtigkeit im Zusammenhang mit Missständen im Verlauf eines Moscheebauprojektes als unanständige Torpedierung eines gesegneten Vorhabens und letztlich als Ausdruck mangelnder Glaubensüberzeugung.
Wer bei einem Moscheebauprojekt moralisch verwerflich handelt oder ein solches Handeln schweigend duldet oder unter den Teppich kehrt, gilt als anständiger Muslim. Wer auf Missstände hinweist, gilt als unmoralischer Abweichler. Das ist der Zustand unserer Gemeinschaften. Und ich bin mir dieser Zustände schmerzlich bewusst.
Natürlich will ich, dass eine Moschee gebaut wird. Lange genug habe ich in meiner Jugend muslimische Feiertagsgottesdienste in Turnhallen und unter anderen improvisierten Bedingungen verrichtet, als dass es mir keine Freude bereiten würde, einen angemessenen, würdevollen Raum für unsere Gebetsrituale errichtet zu sehen. Gleichzeitig habe ich im Zusammenhang mit Moscheebauprojekten viel zu oft miterlebt, wie verbreitet ein anrüchiges, unaufrichtiges Finanzgebaren zu Gunsten der Bereicherung Weniger und zum Schaden von Vielen hingenommen wurde.
Ich unterstelle der Wuppertaler Ditib Gemeinde keine schlechten oder strafbaren Absichten. Aber sie sind Teil eines Systems, das sie nicht einfach so abstreifen können. Eine Moschee muss auf einem stabilen Fundament errichtet werden. Dabei geht es nicht nur um eine architektonische Stabilität. Eine Moschee muss auf dem ideellen Fundament einer aufrichtigen und wahrhaftigen Grundeinstellung errichtet werden. Ihre Würde erhält eine Moschee nicht durch ihre Verzierung, sondern durch die Umstände ihrer Errichtung.
Traue ich den Verantwortlichen eines Moscheebauprojektes grundsätzlich eine solche positive Grundeinstellung zu? Ja.
Gilt das auch für ein Bauprojekt unter Ditib-Verantwortlichen? Diese Frage kann ich leider nicht uneingeschränkt bejahen.
Denn zu keiner Zeit war meine innere Glaubensstärke so angeschlagen und geschwächt, nie und nirgends war ich dem Glaubenszweifel und fast schon dem Glaubensverlust so nah wie während meiner vier Jahre in den hauptamtlichen Strukturen der Ditib. Grund hierfür sind auch das Geschäftsgebaren und die Qualität der internen wie externen Kommunikation. Während meiner hauptamtlichen Zeit war ich nie offiziell mit Aufgaben des Moscheebauprojektes in Köln Ehrenfeld betraut. Mein winziger Einblick als interessierter Kollege in die baulichen Abläufe und die finanzielle Abwicklung haben aber gereicht, dass ich seitdem jedes meiner Gebete in der Ditib Zentralmoschee nur mit inneren Zweifeln und spiritueller Zerrissenheit begehen konnte. Gleichzeitig musste ich mitansehen, wie leicht viele andere Ditib-Verantwortliche die Missstände zu verdrängen bereit waren und wie sehr die Freude über den Neubau unberührt blieb von moralischen Verwerfungen. All jene, die um die Missstände wussten, schwiegen. Am Ende mussten die Unwissenden den Preis dafür zahlen, dass die Wissenden unbehelligt blieben.
Nun soll das Bauprojekt in Wuppertal einen ähnlich umfangreichen Kostenrahmen haben wie seinerzeit der Bau der Ditib Zentralmoschee. Den Vorstandsmitgliedern der Wuppertaler Ditib Gemeinde kann man die Verfehlungen im Zuge des Kölner Moscheebaus sicher nicht entgegenhalten. Aber man kann sie daran messen, was sie zu ihrem eigenen Projekt sagen und öffentlich erläutern. Und die Bewertung dieser Aussagen sind meiner Ansicht nach durchaus ein Hinweis darauf, was wir als MuslimInnen aber auch als interessierte Bürger in Wuppertal und NRW im Zuge der möglichen Ausführung des Bauvorhabens zu erwarten haben.
Um für die notwendige Transparenz zu sorgen: Der Vorsitzende des Wuppertaler Ditib Moscheevereins, Ersin Özcan, ist mir aus meiner vierjährigen Zeit im Hauptamt des Ditib Verbandes bekannt. Wir waren gemeinsam ehrenamtliche Vorstandsmitglieder des NRW-Landesverbandes der Ditib und hatten während dieser Zeit ein freundschaftliches Verhältnis. Nachdem meine interne Kritik immer lauter und deutlicher wurde und es zum Bruch mit der Ditib-Führung kam, habe ich keinen Kontakt mehr zu ihm. Das Wuppertaler Vorstandsmitglied Mustafa Temizer ist mir persönlich nicht bekannt. Ich kann nicht völlig ausschließen, dass ich ihm während meiner aktiven Zeit im Ditib Bundesverband anlässlich der zahlreichen Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet begegnet sein könnte. Jedenfalls habe ich keine bleibende Erinnerung an ihn oder eine solche Begegnung.
Ersin Özcan und Mustafa Temizer wurden als Vertreter der Wuppertaler Ditib Moschee interviewt. Ihre Stellungnahmen sind vor Kurzem in der Westdeutschen Zeitung unter der Überschrift „Uns wird nichts aus der Türkei ins Ohr geflüstert“ veröffentlicht worden. Die wichtigsten Aussagen aus diesen Interviews will ich in diesem Text zitieren und kommentieren, so dass das interessierte Publikum die Darstellung der Wuppertaler Ditib Vertreter in einen detaillierteren Kontext einordnen und bewerten kann. Damit will ich den Debatten in Wuppertal gleichzeitig eine Grundlage liefern, auf der die unterschiedlichen Positionen zum Moscheeneubau differenzierter und realistischer ausgetauscht werden können.
Befragt nach dem Verhältnis der Wuppertaler Gemeinde zur Türkei und zum Ditib Bundesverband antwortet der Vorstandsvorsitzende des Moscheevereins Ersin Özcan:
„Die Ditib in Wuppertal existiert schon seit 1981. Die Freitagsgebete werden alle hier in Deutschland verfasst. Da wird uns aus der Türkei nichts ins Ohr geflüstert. Zur Dachorganisation in Deutschland gehören circa 870 Moscheegemeinden. Dass der Vorstand vom Diyanet [Religionsbehörde in der Türkei] kommt, ist uns allen klar, aber da sind auch Leute aus Deutschland ehrenamtlich tätig. Dass die Imame aus der Türkei bezahlt werden ist uns auch klar, aber wir suchen da nach Lösungen. Die Ditib versucht, die Imam-Ausbildung in Deutschland zu platzieren. Wir reden über Theologie, das kann man nicht von heute auf morgen umsetzen. Wir hoffen, dass Imame, die in Deutschland ausgebildet wurden, in fünf, zehn Jahren in den Moscheegemeinden sind.“
Özcan hat Recht. Die Freitagspredigten der Ditib Gemeinden in Deutschland werden ihnen nicht aus der Türkei ins Ohr geflüstert. Sie werden von einer Predigtkommission verfasst, in welchem türkische Staatsbeamte entscheidenden Einfluss haben und sicherstellen, dass keine Predigt veröffentlicht wird, die mit den politischen Interessen der Diyanet und letztlich der türkischen Staatsführung kollidieren. Dabei mag es dahinstehen, dass sich die Räumlichkeiten dieser Predigtkommission womöglich in Deutschland befinden. Die entscheidenden Köpfe sind gedanklich in der Türkei und schreiben die Predigttexte nicht für ein Publikum, das religiöse Antworten auf die Lebenssituation in Deutschland sucht. Die Texte könnten unverändert mit dem gleichen Inhalt in jedem beliebigen Land der Erde veröffentlicht werden. Wichtig ist nur, wie die Texte ankommen, wenn sie in der Türkei gelesen werden. Özcan weiß das. Er kann es nur nicht offen aussprechen.
Die ehrenamtlichen Mitglieder des Ditib Bundesvorstandes werden nicht nach fachlichen Kompetenzen oder wichtigen Talenten ausgewählt. Sie müssen nur bestimmte Fähigkeit haben: die Meinung des Bundesvorsitzenden einstimmig befürworten, gehorsam alle Vorgaben der Diyanet umsetzen und möglichst wenig Unruhe in den Arbeitsabläufen verursachen. Keiner von ihnen orientiert sich danach, was das Interesse der Mitglieder an der Ditib Basis ist. Schon die Frage danach hätte zur Folge, dass sie nach zwei Jahren Amtszeit nicht kandidieren dürften und damit nicht wiedergewählt würden. Ersin Özcan war als Vorsitzender des Ditib Landesverbandes in NRW so nah am Bundesvorstand, dass ihm diese Umstände nicht entgangen sein können.
Die Aussage zu Imamen, die in Deutschland ausgebildet werden, gehört mittlerweile zum Standard der öffentlichen Stellungnahmen des Ditib Bundesvorstandes – und geht an den tatsächlichen Planungen der Diyanet vorbei. Für die Diyanet ist die Aufrechterhaltung der Entsendung von Imamen ins Ausland ein wichtiger Teil der türkischen „Diasporapolitik“ und damit Instrument der Außenpolitik. Gleichzeitig dient die ständige Fluktuation des Imam-Personals ins Ausland dazu, den erheblichen Personalumfang in Ankara in die Fläche zu verteilen und mit den Auslandsaufenthalten für ein Qualifikationsmerkmal zu sorgen, das interne Beförderungen und Karriereaufstiege ermöglicht.
Ebenso dient der ständige Wechsel der Imame dazu, dass sich die konkrete Situation in den Moscheegemeinden nicht verstetigt und damit individuelle Entwicklungen begünstigt. Über Jahre wachsende Verbindungen eines Imams in die Gemeinde, Stadtgesellschaft und Lokalpolitik sind unerwünscht, weil sie aus Sicht der Diyanet einen zunehmenden Kontrollverlust in den Basisstrukturen befördern könnten. Die Abhängigkeit der Ortsgemeinden, ständig auf die Versorgung mit wechselnden Imamen durch die Diyanet angewiesen zu sein, fördert Wohlverhalten und Loyalität gegenüber der Diyanet. Diese wichtigen Funktionen wird die Diyanet nicht aufgeben.
Gegenwärtig ist es für in Deutschland lebende junge Imame wahrscheinlicher, dass sie mit Assistenzaufgaben in türkischen Konsulaten oder hauptamtlichen Aufgaben in der Ditib-Verwaltung betraut werden, als dass man ihnen dauerhaft eine Moscheegemeinde anvertrauen würde. Auch für die Wuppertaler Moscheegemeinde ist zu erwarten, dass sie einen Imam aus der Türkei bekommt und dieser nach wenigen Jahren regelmäßig ausgetauscht wird. Diese Wahrscheinlichkeit ist gerade deshalb so groß, weil das Vorhaben nach eigener Darstellung der Ditib ja einen umfangreichen, ambitionierten Moscheekomplex umfassen soll. Es ist kaum vorstellbar, dass die Diyanet die Kontrolle über eine solche Einrichtung vollständig den lokalen ehrenamtlichen Vertretern überlässt.
Das Wuppertaler Vorstandsmitglied Temizer ergänzt:
„Die Imame sprechen auch ausschließlich theologische Themen an. Da wird nicht über Politik geredet, da wird nicht über Geld geredet, da wird keiner bespitzelt – das ist ja auch ein Vorwurf.“
Das will ich dem Wuppertaler Vorstand sogar als glaubhaft zugestehen. Kann der Vorstand aber garantieren, dass all das nicht passiert, wenn der Imam eine entsprechende Anweisung seines Dienstvorgesetzten erhält? Der Dienstvorgesetzte ist der Religionsattaché des für Wuppertal zuständigen türkischen Konsulats. Kann der Vorstand ebenso sicherstellen, dass nach einem Wechsel des Imams der neue Imam nicht ein politisch interessierteres Aufgabenverständnis haben wird? Auf all diese Dinge hat der Gemeindevorstand keinen Einfluss. Er kann sich allenfalls bei dem Religionsattaché über seinen Imam beschweren und einen Wechsel fordern. Ob das bewilligt wird, wie das eingeordnet wird und welche Konsequenzen das hat, liegt vollständig im Ermessen türkischer Konsulatsbeamter und der Diyanet in Ankara.
Özcan führt weiter zur behaupteten politischen Neutralität aus:
„Unter den Leuten aus der Türkei haben wir AKP-Anhänger, also Erdogan-Anhänger, CHP-Anhänger, Kemalisten, Atatürk-Anhänger, welche, die sagen, sie möchten mit Politik gar nichts zu tun haben. Wären wir zu nah an Erdogan, würden wir diese Vielfalt von einem Tag auf den anderen verlieren.“
Wenn Özcan das tatsächlich ernst meint, muss er ein sehr naives Verständnis der Ditib Strukturen und eine realitätsferne Wahrnehmung seiner Moscheegemeinde haben. Die meisten Menschen entscheiden sich nicht für die Wuppertaler Moschee, weil sie die große Vielfalt in der Gemeindestruktur und eine dadurch bedingte diverse Debattenkultur in der Teestube der Moschee zu schätzen wissen. Jeder weiß, dass in Ditib Moscheen ausschließlich für die AKP-Politik geworben werden darf. Die Menschen wählen ihre Moschee nach wesentlich praktischeren Kriterien aus: Moscheealternativen, Parkplatzmöglichkeit, Länge des Anfahrtswegs, Kapazität des Gebetsraumes, Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe. Die AKP-Indoktrination des geistlichen Personals nimmt man mal mehr, mal weniger irritiert einfach hin. Die meisten hören bei der Freitagspredigt ohnehin gelangweilt weg.
Zur Finanzierung des Neubaus sagt Özcan:
„Mit dem Bau wird auch die Spendenbereitschaft erhöhen. Wir mussten den Mitgliedern 14 Jahre lang erzählen: Bald. Nein, es dauert noch. Nächstes Jahr. Da hat man Euphorie verloren. Mit dem Zielbeschluss sieht man jetzt ein Licht am Ende des Tunnels. Von der Diyanet gibt es keinen Cent Unterstützung. Jeder Cent, der bei uns reinfließt, wird quittiert.“
Das Versprechen, keinen Cent Unterstützung von der Diyanet anzunehmen, wird Özcan spätestens dann nicht halten können, wenn er die notwendigen Mittel nicht eigenständig akquirieren kann. Die Diyanet wird ein so umfangreiches Bauvorhaben nicht scheitern lassen. Moscheebauprojekte gehören regelmäßig zu den wichtigen Punkten der Diyanet-Berichte über Auslandstätigkeiten. Moscheen im Ausland dienen der AKP als Nachweis einer einflussreichen Außenpolitik. Im Zweifel werden sich also „private Spender“ aus der Türkei finden, die dem Bauvorhaben im Notfall unter die Arme greifen.
Dass jeder Cent, der einfließt, auch quittiert wird, will ich gerne als zutreffend unterstellen. Die Frage wird sein, ob das auch für jeden Cent gelten wird, der wieder rausfließt? Werden Rechnungen liegen gelassen werden, bis Verzugszinsen zu Gunsten bestimmter Gläubiger entstehen? Werden Rechnungen beglichen, deren ausgewiesene Leistungen gar nicht oder nicht vollständig erbracht wurden? Wird es Subunternehmer und Sub-Subunternehmer geben, die in einem Näheverhältnis oder gar in einem Verwandtschaftsverhältnis zum Auftraggeber stehen? Werden Mitglieder der Gemeinde oder des Vorstandes spontan Firmen gründen, die Aufträge für Gewerke erhalten, die sie dann mit einem Gewinnaufschlag an Subunternehmer weiterreichen? Nach welchen Regeln wird die Vergabe der Bauaufträge für einzelne Gewerke erfolgen? Wird es Kick-back-Provisionen an Vereinsmitglieder für den Erhalt von Bauaufträgen geben? Werden Rechnungen vollständig beglichen, auch wenn es bei Abnahme des Werkes Baumängel gibt und Gewährleistungsrechte hätten geltend gemacht werden müssen? Wenn Privatwohnungen im Rahmen des Moscheeneubaus entstehen – wer wird nach welchen Regeln und zu welchem Preis Eigentum an diesen Wohnungen erwerben?
Es gibt zahlreiche, kreative Wege, um Geldflüsse zu manipulieren. Wird Özcan garantieren können, dass all das nicht geschieht? Wird man eine unabhängige Kontrolle und Prüfung der Bauausführung und des Zahlungsverkehrs implementieren?
Und eine nicht unwesentliche Frage: Wer wird im Grundbuch eigentlich als Eigentümerin des neuen Moscheegebäudes eingetragen werden? Der Moscheeverein vor Ort oder doch der Ditib Bundesverband?
Temizer ergänzt:
„Alle anderen Aktivitäten sollen in separaten Gebäuden neben der Moschee untergebracht werden: ein Kindergartenhaus, ein Studentenwohnheim, betreutes Wohnen, ein Ärztehaus. Wir haben uns Betreibermodelle angeschaut und mit Firmen gesprochen, die sich eine Investition vorstellen können. Die Pläne müssen aber weiterentwickelt werden, wir haben derzeit Entwürfe.“
Wer sich nicht mit Entwürfen begnügen will, sondern jetzt schon beobachten möchte, wie betriebswirtschaftlich sinnvoll in den Ditib-Strukturen Moscheebauten und insbesondere die Nebenräume, die Einnahmen generieren sollen, geplant und ausgeführt werden, kann sich in der Zentralmoschee der Ditib in Köln-Ehrenfeld ein eigenes Bild machen. Dort gibt es die Ditib Einkaufspassage unterhalb des Gebetsraumes. Noch Jahre nach der Eröffnung stehen Geschäfte leer, sind nur für kurze Zeit geöffnet oder warten verzweifelt auf Kundschaft. Teilweise sind Ditib Untergliederungen zu Mietern der Ladengeschäfte geworden, um einen allzu offensichtlichen Leerstand zu kaschieren. Die privaten Mieter sind häufig unzufrieden mit dem Management der Passage durch die Ditib. Die Einkaufspassage mutet wie ein Millionengrab an, das nur als Souvenirshop der Ditib und als Kantine für Besuchergruppen der Zentralmoschee überhaupt einen Zweck erfüllt. Man kann der Wuppertaler Gemeinde nur wünschen, dass ihre Planungen ein gänzlich anderes Ergebnis haben werden. Ob das in den gleichen Strukturen gelingt, wird man sehen.
Zum Konflikt mit dem Alternativen Zentrum sagt Özcan u.a.:
„Wir haben mit dem AZ und den Personen, die sich da aufhalten, kein Problem. Das Grundstück brauchen wir. Wir reden über eine Religionsausübung, und daneben wird Party gefeiert. Das passt irgendwie nicht zusammen. (…)“
Wenn Özcan jetzt schon Partys im Nachbargebäude unpassend findet, was könnte noch als unpassend bewertet werden? Werden Mieter und Kunden der im Moscheekomplex ebenfalls geplanten Nebengebäude, wie Kindergartenhaus, Studentenwohnheim, betreutes Wohnen oder Ärztehaus nach passenden oder unpassenden Kriterien ausgesucht werden? Und wer entscheidet letztgültig darüber, was passt und was nicht passt? Und kann sich Özcan mit einer gegensätzlichen Ansicht durchsetzen, wenn ihm der Bundesverband oder gar die Diyanet signalisiert, dass bestimmte Personen und ihr Aufenthalt im Moscheekomplex als unpassend empfunden werden? Es sind innerhalb der Ditib schon Vorstandsvorsitzende in Moscheevereinen oder Landesverbänden über „unpassendes Verhalten“ oder unliebsame Entscheidungen gestürzt.
Zum geplanten Ablauf der weiteren Schritte führt Temizer aus:
„Die nächste Aufgabe der Gemeinde ist es, einen Beirat aufzustellen. Wir wollen vor den Sommerferien klären, wie er sich zusammensetzt. Da soll Politik rein, von der Gemeinde Leute, Nachbarn. Damit jeder seine Ideen einfließen lassen kann. Und damit jeder erkennt, dass es ein tolles Projekt ist.“
Ein Moscheebaubeirat ist kein Besichtigungsgremium, in welchem man sich davon überzeugen kann, wie „toll“ das Bauprojekt ist. Auch der Bau der Zentralmoschee des Ditib Bundesverbands in Köln-Ehrenfeld hatte einen Moscheebaubeirat. Ich empfehle Özcan und Temizer, aber auch allen Interessierten aus der lokalen Politik und den kritischen Beobachtern des Bauvorhabens sich mit den Mitgliedern des Kölner Moscheebaubeirates darüber auszutauschen, welche Erfahrungen sie mit der Ditib als Bauherrin gemacht haben. Damit hätte man zumindest die Möglichkeit, es in Wuppertal besser zu machen.
Im Ergebnis ist die entscheidende Frage nicht, welchen Einfluss die türkische Regierung oder die Diyanet aus Ankara gegenwärtig in der Wuppertaler Ditib Gemeinde ausübt, sondern die, welche sie ausüben kann, wenn sie das möchte. Der Einfluss funktioniert nicht über die persönliche politische Präferenz der Vorstandsmitglieder des Ortsvereins, sondern über die tatsächlichen Eingriffsmöglichkeiten türkischer Staatsbeamter in Deutschland auf die Entscheidungsgremien eines Moscheevereins – und die türkischen Staatsbeamten sind auch in der Wuppertaler Gemeinde immer die letztentscheidende Instanz.
Und auch in der Person des Vorstandsvorsitzenden gibt es in Wuppertal keinen Grund für die Zuversicht, die lokalen Kräfte seien in besonderem Maße eigenständig oder hätten ein demokratischeres Selbstverständnis als der Bundesverband der Ditib. Als der türkische Staatspräsident Erdoğan 2018 die Eröffnung der Kölner Zentralmoschee der Ditib zu einer politischen Machtdemonstration nutzte und als alleiniger Redner allen Beobachtern vor Augen führte, wer der eigentliche Hausherr der Moschee ist und wem diese Moschee zugewandt sein soll, da suchte der Wuppertaler Ditib Vorstandsvorsitzende Ersin Özcan begeistert die Nähe zur politischen Prominenz und ließ sich mit Erdoğan ablichten. Dass man als Wuppertaler Demokrat vielleicht besser nicht die Nähe zu einem nationalistischen Autokraten sucht, hat ihm damals wohl niemand ins Ohr geflüstert.
Allen WuppertalerInnen wünsche ich, dass sie nicht bloß eine weitere Moschee erhalten, mit der sie nichts verbindet, die als Fremdkörper gedacht und gebaut wurde. Ich wünsche ihnen den Neubau einer Moschee, die keine „unpassenden“ Nachbarn verdrängt, die zum Ansehen und zur Entwicklung der Stadt beiträgt, die alle WuppertalerInnen gleich welchen Glaubens als „ihre“ Moschee und als Bereicherung ihrer Heimat empfinden können, deren Betreibern man als Demokraten vertraut und bei der man nicht sein Gewissen ausschalten muss, wenn man sie zum Gebet betritt. Ob das mit der Ditib als Partnerin möglich ist? Daran habe ich vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen erhebliche Zweifel.