Dummheit, die gerade in Mode ist

Nach den jüngsten Ankündigungen zum AfD Parteiprogramm muss deutlich festgehalten werden: Muslime sind Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Ihnen die Freiheit des Religionsbekenntnisses und der Religionsausübung abzusprechen, ist die Aufforderung zur Beseitigung unserer Verfassungsordnung.

Eine Bevölkerungsgruppe willkürlich aus dem Schutzbereich des Grundgesetzes heraus zu definieren, ist der erste Spatenstich zur Abschaffung unseres Grundgesetzes. Wer heute meint, Muslimen ihre bürgerlichen Freiheiten absprechen oder sie einschränken zu können, wird morgen auch anderen Menschen willkürlich ihre Freiheiten nehmen wollen.

Wer von Menschen anderen Glaubens oder über ihre Religion als „Fremdkörper“ spricht, suggeriert, dass dieser entfernt und entsorgt werden muss. Das ist eine totalitäre, maliziöse Sprache, die ein ebensolches Verhalten propagiert. Dieser verfassungsfeindlichen Gesinnung gilt es, mit den Mitteln des demokratischen Meinungsstreits frühzeitig zu begegnen. Ein so unverhohlener Aufruf zum Verfassungsbruch darf nicht unwidersprochen bleiben.

Spätestens jetzt müssen die etablierten, demokratischen Parteien begriffen haben, dass aus dem Dunstkreis der AfD keine besorgten Bürger sprechen, die man ernst nehmen muss, sondern Verfassungsfeinde, die letztlich die grundrechtlichen Freiheiten aller Bürgerinnen und Bürger in Frage stellen. Deshalb darf sich die Politik dieser Gesinnung nicht anbiedern, sondern muss sie entschieden als das zurückweisen, was sie ist, nämlich verfassungsfeindlich.

Diese Bewertung gilt es, in aller Entschiedenheit publik zu machen.

Bedauerlicherweise lassen sich aber manche Kommentatoren dazu hinreißen, die Diskussion durch Nazi-Vergleiche zu belasten. Zuletzt hat der Vorsitzende des ZMD, Aiman Mazyek, öffentlich gesagt (Zitat): „Es ist das erste Mal seit Hitler-Deutschland, dass es eine Partei gibt, die erneut eine ganze Religionsgemeinschaft diskreditiert und existenziell bedroht.“ (Zitat Ende)

Das ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. Die Gleichsetzung von Muslimen mit den Juden zu Zeiten der NS-Diktatur offenbart aus muslimischer Perspektive eine Selbstentfremdung, eine Selbstexklusion aus dieser Gesellschaft, mit der die Stigmatisierung als fremd, als nichtdazugehörig auf seltsam selbstmitleidige Weise auch noch bestätigt wird.

Aus jüdischer Perspektive muss ein solcher Vergleich eine unerträgliche Verharmlosung und Bagatellisierung der erlittenen Verfolgung bedeuten.

Denn wir haben es zwar aktuell mit einer ungesunden antimuslimischen Debatte zu tun, die sich nun in verfassungsfeindlichen Forderungen der AfD zuspitzt. Wir haben aber ebenso gesamtgesellschaftlich eine Sensibilität dafür, was der Aufruf zum Verfassungsbruch bedeutet.

In einer solchen gesellschaftlichen Auseinandersetzung das Leid der Juden in der NS-Zeit als Aufmerksamkeitsvehikel zu missbrauchen, ist an Pietätlosigkeit und Geschichtsvergessenheit kaum zu überbieten. Es verwundert nicht, dass dies durch einen Vertreter geschieht, der sich durch kaum mehr auszeichnet, als regelmäßig mediale Aufmerksamkeit zu generieren, ohne dass durch seine „gute Vertretung“ substantiell irgendeine greifbare Leistung für die muslimische Community hervorginge.

Leider scheint heutzutage die journalistische Neugier nur noch rudimentär ausgeprägt zu sein. Anders lässt sich kaum erklären, warum der Vertreter eines Kleinverbandes als „Sprecher der Muslime“ wahrgenommen und präsentiert wird, nur weil der Begriff „Zentral“ im Verbandsnamen auftaucht.

Mit diesem vermeintlich „zentralen Sprecher“ sind alle Muslime geschlagen, die in dem jüngsten NSDAP-Vergleich die gravierende Grenzüberschreitung erkennen, die sie tatsächlich ist. Sie werden durch diese Entgleisung per Assoziation in Mithaftung genommen, ohne Chance zur Distanzierung.

Nur zur Erinnerung, was mit diesem Vergleich verharmlost wird (nach: Joseph Walk (Hg.): Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat. Eine Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen und Richtlinien – Inhalt und Bedeutung, Heidelberg, Karlsruhe 1981, http://www.lpb-bw.de/publikationen/pogrom/pogrom6.htm):

April 1933: Berufsverbot für jüdische Kassenärzte.

September 1935: Sämtliche Juden im Sinne des Reichsbürgergesetzes, die noch Richter und Staatsanwälte sind, werden sofort bis auf weiteres beurlaubt.

März 1938: Gesetz „über die Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultusvereinigungen“: Den jüdischen Kultusvereinigungen und ihren Verbänden wird ab 1.4.38 die Stellung von Körperschaften des öffentlichen Rechts entzogen.

Juni 1938: In Krankenanstalten werden Juden von anderen getrennt untergebracht, da „der Gefahr einer Rasseschändung wirksam entgegengetreten“ werden muss.

August 1938: „Juden sind verpflichtet, die zusätzlichen Vornamen ‚Israel‘ oder ‚Sara‘ vom 1.1.39 ab zu führen.“

Oktober 1938: Die Reisepässe deutscher Juden werden ungültig. Auslandspässe erhielten ihre Gültigkeit zurück, nachdem sie mit einem „J“ versehen worden waren.

November 1938: „Juden ist der Besuch deutscher Schulen nicht gestattet. Sie dürfen nur jüdische Schulen besuchen.“

Dezember 1938: Die Führerscheine und Kraftwagenzulassungsbescheinigungen der Juden werden für ungültig erklärt und ihre Ablieferung angeordnet.

Januar 1939: „Juden ist es verboten, auf Märkten zu verkaufen.“

April 1939: Gesetz „über Mietverhältnisse mit Juden“: Juden genießen gegenüber einem nichtjüdischen Vermieter keinen gesetzlichen Mieterschutz. Vorbereitung zur Zusammenlegung jüdischer Familien in „Judenhäusern“.

 

Und dies ist nur eine unvollständige Übersicht über solche Rechtsverordnungen und Maßnahmen, welche noch vor Beginn des Zweiten Weltkrieges ausgeführt worden sind.

Angesichts dieser historischen Fakten muss die jüngste mediale Effekthascherei des ZMD Vorsitzenden als unsäglicher Bärendienst für alle Muslime begriffen werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Öffentlichkeit bald zur Kenntnis nimmt, für wen der ZMD-Vorsitzende in Wirklichkeit spricht – nämlich nur für sich selbst.

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