Die Diskussionen um einen islamischen Feiertag veranschaulichen nach den zähen „Der Islam gehört zu“/“gehört nicht zu“-Diskussionen der jüngeren Vergangenheit erneut den Zustand der politischen Debatte um den Islam in Deutschland. Mal wieder offenbaren die Beiträge mehr über die Akteure selbst, als über den Gegenstand der Auseinandersetzung.
Natürlich wäre es angesichts der zunehmenden Desensibilisierung unserer Gesellschaft gegenüber rechtem Gedankengut eine großartige Geste, gebe es einen nicht nur – wie vom Innenminister vorgeschlagen – regionalen, sondern bundesweiten islamischen Feiertag. Es wäre ein schöner Gedanke, wenn der Ronny aus Dresden oder der Thilo aus Berlin an diesem Tag Zeit für Familie, Hobbys und Erholung hätten, nur weil es Muslime in Deutschland gibt. Ebenso sollte es einen bundesweiten jüdischen Feiertag geben. Damit dem Jens aus Frankfurt und dem Mehmet aus Duisburg klar wird, dass er nur deshalb einen vergnüglichen, arbeitsfreien Tag verbringen kann, weil es jüdische Mitbürger in Deutschland gibt.
Dann würde vielleicht auch die Rede vom „jüdisch-christlichen Erbe Deutschlands“ nicht mehr so hohl klingen. Es müsste sich doch jede Jüdin und jeder Jude darüber aufregen, dass ihr Glaube zum politischen Verfügungsgegenstand degradiert wird, den man praktischer Weise gegen die Akzeptanz muslimischen Lebens in Deutschland in Stellung bringt. Und das, obwohl den wenigsten unter uns bekannt sein dürfte, was Jom Kippur, Pessach, Channuka oder Rosch ha-Schana überhaupt bedeuten. Fragte man in deutschen Fußgängerzonen danach, was das „Ölwunder“ ist, dürften die meisten dies wohl eher mit rapide sinkenden Benzinpreisen in Verbindung bringen als mit einer Menora.
Aber auch der vehemente Bezug zum „christlichen Erbe Deutschlands“ muss einem zunehmend merkwürdig vorkommen, sind es doch gerade die Vertreter der C-Parteien, die so wenig Rücksicht auf dieses Erbe nehmen, dass in der politischen Landschaft wohl eher von einem religionslosen Christentum gesprochen werden muss. Das Christliche in der Politik ist derart zu einer bloßen Behauptung, solchermaßen zu einer religionsfolkloristischen Tarnung verkümmert, dass seine öffentliche Anrufung immer mehr wie eine schlecht inszenierte Geisterbeschwörung anmutet.
Wir sollten nicht mal mehr dazu bereit sein, diesen politischen Gauklern mildernde Umstände zuzugestehen. Es sind keine Verunsicherung im Glauben, keine schwindende religiöse Gewissheit, welche die reflexartige Ablehnung gegenüber anderen Religionen erklären könnten. Es ist die kalkulierte, bewusste Preisgabe christlicher Ethik im Bereich des Politischen, welche durch die lautstarke Berufung auf den christlichen Glauben, auf das christliche Erbe bloß kaschiert werden soll.
Würden Josef und Maria heute Zuflucht in Deutschland suchen, wären es die Vertreter der C-Parteien, die sie unter Verweis auf die mit Ochse und Esel im Stall bereits erreichte Obergrenze vom Hof jagen würden.
Caspar, Melchior und Balthasar müssten an der Grenze sofort umkehren, weil die „Christsozialen“ sich „bis zur letzten Patrone“ gegen „Migranten aus fremden Kulturkreisen“ verteidigen wollen. Vielleicht dürften sie noch Gold, Weihrauch und Myrrhe abgeben. Denn für Rohstoffe aus fremden Kulturkreisen gilt wieder eine andere Art der Verteidigungsbereitschaft.
Jesus dürfte sich bei den Wirtschaftspolitikern der C-Parteien dafür bedanken, dass er als Zimmermann noch einen zweiten Job braucht, weil er sich sonst die Mieten in München nicht leisten kann.
Moses und Josua hätten mit ihrem Exodus nach Deutschland wenig Erfolg, würden sich doch insbesondere die Politiker der C-Parteien gegen einen Familiennachzug einsetzen.
Es wären „Christdemokraten“, die als erste gegen das Pfingstwunder protestieren würden, weil plötzlich in Berlin Mitte immer mehr Kunden ihren Kaffee in verschiedenen Sprachen bestellen.
Und im Rechts- und Gerechtigkeitsverständnis der CSU zwängt sich ein Uli Hoeneß mit geringerer Mühe durchs Nadelöhr ins Paradies, als ein Schlauchboot voller „Wirtschaftsflüchtlinge“.
All jenen, die „die rechte Flanke der CDU/CSU“ schließen wollen, muss man ganz deutlich sagen, dass wer am rechten Rand nach braunen Stimmen fischt, eben nicht mehr mit beiden Beinen auf dem Fundament christlicher Wertvorstellungen steht. Er begibt sich vielmehr bis zum Hals in den braunen Sumpf einer Ideologie, deren Menschenbild alles andere als christlich ist.
Ein „Rechtsruck“ verteidigt nicht das christliche Abendland gegen eine vermeintliche islamische Überfremdung. Ein „Rechtsruck“ ist keine Bewegung hin zum „christlichen Erbe“ Deutschlands, sondern dessen verrat. Wenn Deutschland wirklich Deutschland bleiben soll, dann wird das nicht dadurch gelingen, dass allem, was islamisch ist und allem, was Muslimen wichtig ist, die politische und gesellschaftliche Wertschätzung entzogen wird. Dadurch wird Deutschland allenfalls Ungarn.
Die „Christdemokraten“ und „Christsozialen“ sollten sich wieder darauf besinnen, wofür das „C“ in ihrem Parteinamen wirklich steht: Nicht für eine inhaltsleere Rechtfertigung politischer Dominanzgesten, sondern für eine gelebte und auch politisch praktizierte Ethik. Das ist auch Muslimen in Deutschland wichtig.