Azizi, Beck, Özdemir, Ourghi. Brüder im Geiste, die mit Ihren aktuellen Veröffentlichungen und Verlautbarungen wieder eine Rolle spielen, die mittlerweile charakteristisch für die Natur unseres öffentlichen Diskurses ist. Inhaltlich kommt da nicht viel Neues. Es sind eigentlich nur noch exzessivere Absurditäten, mit denen die Schraube der antimuslimischen Agitation um einige Windungen weitergedreht wird. Aber die eingenommenen Rollen sind modellhaft für die „islamkritische“ Szene und deshalb auf persönlicher wie inhaltlicher Ebene es wert, schärfer angeleuchtet zu werden.
Trennen wir sie in zwei Gruppen: Mimoun Azizi und Abdel-Hakim Ourghi als pseudowissenschaftliche „Experten“ und damit vermeintlich akademisch-sachliche Souffleure. Und Özdemir und Beck als politische Diven, die auf der großen Bühne der Bundespolitik die gelieferten „Analysen“ in besorgte Forderungen kleiden und zu klangvollen Arien der Diskreditierung islamischer Religionsgemeinschaften intonieren.
Widmen wir uns zunächst den „Experten“, also den „Kronzeugen“ des aktuellen „islamkritischen“ Diskurses. Die vielen Anführungszeichen allein im letzten Satz machen deutlich, dass wir es mit Sachverhalten und Personen zu tun haben, deren öffentliche Gestalt nicht der tatsächlichen Substanz entspricht. Wie real und nicht nur scheinbar diese Diskrepanz ist, wird in der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den vertretenen Positionen deutlich.
Zunächst muss aber über die persönliche Motivation der Akteure gesprochen werden. Die Ausführungen hierzu sind keine ad hominem Argumente sondern legen frei, mit welchem persönlichen Antrieb die Herrschaften zu Werke gehen und welche innere Haltung im öffentlichen Diskurs oft verborgen bleibt. Und auch mit dieser persönlichen Facette sind sie geradezu mustergültig für die Zunft der „Islamkritiker“.
Mimoun Azizi gibt sich als standhafter, weil liberaler und humanistischer Muslim mit großer Leidenschaft und noch größerer Dankbarkeit für deutsche Literatur und Philosophie. Er wirkt in seinen Tiraden aber häufig als eine Art Prototyp des verhinderten Verbandsvertreters, der auf verschiedenste Weise versucht, repräsentativ auf religionspolitischer Ebene zu wirken, dem aber partout die muslimische Basis nicht folgen will. Diese Attitüde des Enttäuschten und Geschmähten schwingt im Duktus seiner Veröffentlichungen stets mit.
Er ist im vergangenen Jahr während eines Wortbeitrages im Zukunftsforum Islam der Bundeszentrale für politische Bildung mit der Formulierung aufgefallen, bei islamischen Verbänden handele es sich, wenn es um öffentliche Fördergelder für die Wohlfahrtsarbeit gehe, um „Parasiten, die aus ihren Löchern kriechen.“ Wiederholt ist er darauf hingewiesen worden, dass eine solche Formulierung inakzeptabel ist. Gleichwohl wollte er sich während dieser mehrtägigen Veranstaltung für diese Äußerung nicht entschuldigen. Diese kategorische Ablehnung, ja geradezu Verachtung prägt die Haltung des Mimoun Azizi, wenn es um islamische Verbände geht.
Dies muss in weiten Teilen der Presselandschaft mittlerweile erkannt worden sein, denn neuerdings veröffentlicht Azizi seine Beiträge auf der Blogseite des ehemaligen „Wirtschaftswoche“-Chefredakteurs Roland Tichy.
Jener Tichy, der vor kurzem als Sarrazin-Sidekick bei einer öffentlichen Veranstaltung mit der Aussage auffiel, bei der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin handele es sich um einen Versuch, die „Bevölkerung zu unterschichten“.
Diese Nähe zum Narrativ der „Umvolkung“, wie es in rechtsradikalen Kreisen gepflegt wird, scheint den um die Muslime in Deutschland besorgten Azizi nicht weiter zu stören. Hauptsache Bühne. So wundert es auch nicht, dass Azizi in seinem aktuellen Beitrag vom 20.07.2016 beklagt, den islamischen Verbänden werde zu viel Platz und Zeit in Talkshows eingeräumt.
Es folgt eine Kaskade an wirren Behauptungen, bekannten antimuslimischen Narrativen und groben Unterstellungen. Natürlich im Zusammenhang mit DITIB die Behauptung der Heteronomie, der Fernsteuerung aus dem Ausland. DITIB habe die Funktion, mit seinen Experten in Deutschland türkische Staatspolitik zu erklären. Die Talkshows hätten sich nach dem versuchten Militärputsch in der Türkei dann auch wieder dieser Experten bedient.
Eine schlichtweg wahrheitswidrige Behauptung, für die Azizi natürlich den Beweis schuldig bleibt. Welcher DITIB-Vertreter in welcher Talkshow seit letzter Woche die Politik der Türkei erklärt haben soll, bleibt der Phantasie der Leserinnen und Leser überlassen. Die bloße Behauptung reicht als Disqualifizierung und als Auslöser antimuslimischer Assoziationsketten aus, mit denen alle Verbandsmitglieder als „Handlanger fremder Staaten“, so der Untertitel eines Azizi Beitrages aus dem Juni 2016, markiert werden.
Typisch für diese Art von Elaboraten ist die inhaltliche Widersprüchlichkeit der unmittelbar aufeinanderfolgenden Thesen. Zu den ständig wiederholten Thesen gehört die Behauptung, die islamischen Verbände würden – alle gemeinsam – nur eine Minderheit der Muslime in Deutschland vertreten. Bei Azizi sind es 20 %, bei Ourghi sind es 15 %. Wie die Abweichung zustande kommt? Das wissen wahrscheinlich nicht einmal die Autoren selbst. Denn auch hier gilt: Die Behauptung reicht als Evidenz. Eine über den Daumen gepeilte, als sarrazinische Hommage einfach „dahingeworfene“ Zahl, die niemand mehr hinterfragt.
Dass es verfassungsrechtlich auf die Zahl der konkret eingetragenen Mitglieder nur als Indiz für die gesellschaftliche Relevanz der Religionsgemeinschaft ankommt? Viel zu juristische Detailfragen. Dass es auch andere Indizien der gesellschaftlichen Relevanz gibt, z.B. die Reichweite der religiösen Dienste? Völlig uninteressante Aspekte, die nur das gefestigte antimuslimische Weltbild erschüttern.
Dass allein etwa 300.000 Menschen durch konkrete Mitgliedschaft bekunden, im Todesfall die religiösen Dienste der DITIB in Anspruch nehmen zu wollen, dass damit im weiteren Familienkreis – Freunde und Bekannte noch gar nicht mitgezählt – eindeutig eine Zugehörigkeit und ein Vertrauen in die religiöse Versorgung eben durch diese konkrete Religionsgemeinschaft von mindestens 1 Million Menschen bekundet wird, also dass schon nur dieser konkrete religiöse Dienst der DITIB allein etwa 25 % der Muslime in Deutschland erreicht? Besser verschweigen, passt nicht ins gezeichnete Bild.
Wenn nun aber die „Experten“ überzeugt sind, alle Verbände würden gemeinsam nur weniger als 20% der Muslime vertreten und über 80% würden explizit auch nicht wünschen, von den Verbänden vertreten zu werden, ja warum sind dann die Verbände eine vermeintlich so große Gefahr für die „Integration des Islam“ in Deutschland? Die Frage bleibt wie immer unbeantwortet.
In Azizis Beitrag schlägt dann wieder die oben erwähnte „parasitäre“ Prädisposition des „Experten“ durch, wenn er sich Gedanken um die islamischen Verbände macht. Er unterstellt, die – statistisch vermeintlich unbedeutenden – Verbände hätten politischen Einfluss und heimliche Verbündete in der Politik. Dies ist ebenfalls ein bekanntes Narrativ der rechten Szene, in der von politischen Kollaborateuren der Islamisierung halluziniert wird. So beschreibt Azizi die Folgen dieses behaupteten Einflusses als eine „Maas-Kahane-Zensur“. Wohlgemerkt wird hier ein politisches Engagement gegen Hate Speech umgedeutet zu einer angeblichen promuslimischen Verschwörung gegen „Kritiker“.
Eine weitere Gemeinsamkeit zu rechten Narrativen wird in der Formulierung Azizis deutlich, dass solche Muslime, die sich „gegen Deutschland entscheiden“ und nur wegen der finanziellen Vorteile hier bleiben, das Land verlassen sollen. Auch hier wieder begegnet uns unterschwellig das Bild parasitärer, schmarotzender Muslime, die nur die finanziellen Möglichkeiten dieses Landes aussaugen und ihm somit nur schaden, ohne einen sinnvollen Beitrag zu leisten.
All das sind Narrative, die aus historischen antisemitischen Zeiten nur zu schlecht bekannt sind und die hier im Zusammenhang mit muslimischen Organisationen perpetuiert werden. Und das alles im Gewand vermeintlich liberaler Kritik.
So schließt Azizi seine Expertise dann auch mit gleich zwei Effekten der rechtspopulistischen Szene: Muslimische Verbände seien wie „kleine Staaten“ im Staate – also wieder die Unterwanderungsthese. Die Assoziation, Einwanderung sei ein Trojanisches Pferd der Muslime zur „Umvolkung“ und Islamisierung Europas, findet sich somit zwischen den Zeilen der „Islamkritik“ unserer Zeit.
Wobei Azizi nicht einmal das Bild des Pferdes gelten lassen will. Er zitiert zum Schluss eine Redewendung, dass auch der größte Zauberer – gemeint sind die Talkshowmoderatorinnen, die angeblich die muslimischen Vertreter naiv und unwissend hofieren – „aus einem Esel kein Pferd machen“ kann. Wer bei muslimischen Verbänden immer nur an Parasiten denkt, dem kommt halt schnell der Esel über die Zunge. Eine entmenschlichende Sprache, die auch dem Letzten deutlich machen sollte, mit welchem Gedankengut wir es hier unter der Tarnung vermeintlich besorgter Kritik zu tun haben.
Fortsetzung folgt mit Teil 2